Leitsatz (amtlich)
›1. Ein Schmerzensgeldanspruch des Verunglückten besteht nicht, wenn die schädigende Handlung unmittelbar den Tod herbeigeführt hat; dies ist auch dann der Fall, wenn der Tod nicht augenblicklich eintritt, sondern der Sterbevorgang naturgemäß noch kurze Zeit in Anspruch nimmt.
2. In derartigen Fällen liegt keine "Verletzung des Körpers oder der Gesundheit" im Sinne des § 847 BGB, sondern eine Tötung vor, für die ein Schmerzensgeldanspruch nicht vorgesehen ist.‹
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 21.03.1995; Aktenzeichen 19 O 216/94) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21. März 1995 verkündete Urteil der Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,- DM nicht.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, weil das Urteil des Landgerichts richtig ist und sein Vorbringen im Berufungsrechtszug ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigt.
Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils, § 543 Abs. 1 ZPO.
Ergänzend ist lediglich auf folgendes hinzuweisen:
1. Wie der Kläger auf Seite 3 der Berufungsbegründung (Bl. 117) richtig ausführt, löst die Tötung als solche kein Schmerzensgeldanspruch aus. Ein Schmerzensgeldanspruch entsteht nicht, wenn "die schädigende Handlung unmittelbar den Tod herbeigeführt hat" (BGH NJW 1976, 1147, 1148). In Fällen dagegen, in denen ein Schwerstverletzter drei Tage nach dem Unfall stirbt, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, kann ein Schmerzensgeld in Betracht kommen (vgl. BGH NJW 1981, 1613: 3.500,- DM; BGH NJW 1995, 783: Bei Tod 51 Tage nach dem Unfall 8.000,- DM).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht bewiesen, daß der Verletzte den Unfall noch einige Zeit überlebt hat, so daß eine dem Tod vorausgehende Körperverletzung als Voraussetzung des Schmerzensgeldanspruchs festgestellt werden kann; vielmehr hat der Unfall unmittelbar den Tod des Verletzten herbeigeführt.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M vom 14. Dezember 1994 (66-68) liegen "eindeutige Informationen zu den Zeitabläufen und zu den medizinischen Befunden (Notarzt) nicht vor..."; der Sachverständige hat daher die Beweisfrage nur aufgrund des von ihm erhobenen Verletzungsmusters und allgemeiner Überlegungen beantwortet.
Der Sachverständige weist auf Seite 2, dritter Absatz, seines Gutachtens zunächst darauf hin, daß die Beantwortung der Beweisfrage "bei mehr oder weniger unmittelbar zum Tode führenden Einwirkungen naturgemäß schwierig ist, da ein momentaner, augenblicklicher Todeseintritt selbst bei schwerster Traumatisierung eher die Ausnahme ist. Die verschiedenen Vitalsysteme (z. B. Atmung und Kreislauf) kommen oft gar nicht zeitgleich, sondern different zum Stillstand, wobei hier insbesondere der Kreislauf das Aussetzen der Atmung noch einige Minuten überdauern kann. Damit stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, wann denn genau bei einem solchen, insbesondere unumkehrbaren Todesprozeß der Todeszeitpunkt anzusetzen ist. Eine abschließende Beantwortung dieser Frage durch mich ist verständlicherweise nicht möglich."
Der Sachverständige geht nach dem vorstehenden Text jedoch davon aus, daß es sich um einen Fall einer "unmittelbar zum Tode führenden Einwirkung" handelt und "um einen solchen sehr raschen Sterbevorgang". Der Sachverständige hält die Unfallfolge ferner für "eine grundsätzlich mit einem Überleben nicht zu vereinbarende Verletzung, wobei es innerhalb kürzester Zeit (Sekunden) zum Aussetzen einer ausreichenden Durchblutung der Körperorgane (vor allem des Gehirns) kommt, da die mit dem Pumpschlag des Herzens geförderte Blutmenge nicht mehr vollständig in den Kreislauf gelangt..." (S. 2 Mitte des Gutachtens, Bl. 67).
Die weiteren Erwägungen des Sachverständigen, man könne aus der in die Brusthöhle verlorenen Blutmenge und weiteren Faktoren die Zeit in Sekunden abschätzen, die der Verletzte nach dem Aufprall noch gelebt hat, hält der Sachverständige dann selbst nicht für zwingend; denn er führt weiter aus, "daß die in den Brusthöhlen nachgewiesene Blutmenge nicht vollständig zu Lebzeiten ausgepumpt, sondern auch im Zuge der künstlichen Kreislaufverhältnisse vergrößert sein könnte", nämlich infolge vermutlich durchgeführter Wiederbelebungsmaßnahmen.
Selbst wenn der Sachverständige dann zu dem Schluß kommt, daß "T G zwar nicht im Augenblick des Aufpralles mit Aortenruptur in strengstem Sinne tot war, hier aber bereits der Sterbevorgang begann, der allenfalls ganz wenige Minuten gedauert haben dürfte", so läßt auch dies lediglich auf generellen Erwägungen beruhenden Ergebnis darauf schließen, daß der Tod des Verletzten unmittelbar durch den Unfall herbeigeführt wurde; so nimmt nach den Ausführungen des Sachverständigen jeder Sterbevorgang grundsätzlich einige Sekunden/Minuten in Anspruch, so daß dadurch von einer dem Tod vorangehende...