Leitsatz (amtlich)
1. Hat nach einem Richterwechsel der erkennende Richter lediglich einen von insgesamt sechs Zeugen selbst vernommen und im Urteil ausgeführt, er sei überzeugt, dass die Aussage des Zeugen A nicht richtig sein könne, weil er die entgegen stehenden Angaben der Zeugen B, C, D, E und F für glaubhaft und diese Zeugen für glaubwürdig halte, ohne zu begründen, warum die Aussage des Zeugen A nicht glaubhaft sei, beruht das Urteil auf einem wesentlichen Verfahrensmangel i.S.d. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
2. Die Vernehmung von sechs Zeugen nebst persönlicher Anhörung einer Partei ist eine umfangreiche Beweisaufnahme.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.03.2009; Aktenzeichen 17 O 360/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.3.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des LG Berlin - 17 O 360/06 - einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die am 16.4.2009 eingelegte und mit einem am 18.5.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 11.5.2009 begründete Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 12.3.2009 verkündete und der Klägerin am 16.3.2009 zugestellte Urteil des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Das LG hat die Schadensersatzklage der Klägerin auf Grund eines Verkehrsunfalls vom 31.10.2005 nach Beweisaufnahme abgewiesen. Dabei hat es ausgeführt, dass es nach der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen hat, der klägerische Fahrer sei aus einem der rechten Fahrstreifen des Mehringdamm kommend über die durchgezogene Fahrspur-markierung und die Linksabbiegerspur in den Mittelstreifendurchbruch gefahren, worauf der Beklagte zu 1. unmittelbar danach mit dem Klägerfahrzeug kollidiert ist. Der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass der klägerische Fahrer die ihm bei einem Fahrstreifenwechsel obliegenden Pflichten schuldhaft nicht erfüllt habe.
Das LG hat seine Überzeugung auf die Angaben der Zeugen ...,... und ... gestützt und ausgeführt, dass gegen eine von der Klägerin behauptete abgesprochene Falschaussage auch die Angaben der Zeugin ... sprachen. Es hat weiter ausgeführt, dass auch der Beklagte zu 1. und der Zeuge ... einen rechtwinkligen Anstoß des Beklagtenfahrzeugs angegeben hatten. Die Aussagen der Zeugen hat das LG für glaubhaft, die Zeugen für glaubwürdig gehalten.
Deshalb war das LG ausweislich der Beweiswürdigung in dem angegriffenen Urteil davon überzeugt, dass die Bekundungen des Zeugen ..., der den Vortrag der Klägerin bestätigt hat, das klägerische Fahrzeug habe sich auch vor dem Unfall bereits in der Linksabbiegerspur befunden, nicht zutreffen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.
Die Berufung der Klägerin rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung des LG, weil der entscheidende Richter sich einen persönlichen Eindruck von den Zeugen und deren vermeintlicher Glaubwürdigkeit gar nicht habe verschaffen können. Die Aussage des Zeugen ... habe er überhaupt nicht gewürdigt.
Weiterhin rügt die Berufung eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, weil das LG kein von der Klägerin beantragtes Sachverständigengutachten eingeholt habe.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 12.3.2009 verkündeten und am 16.3.2009 zugestellten Urteils des LG Berlin zum AZ: 17 O 360/06, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 12.913,10 EUR sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 361,90 EUR, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.12. 2006 zu zahlen, hilfsweise, die Sache an eine andere Kammer des LG Berlin zurück zu verweisen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und sind der Auffassung, dass die Beweiswürdigung des LG fehlerfrei sei.
Wegen des weiteren Inhalts des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet und führt auf den Hilfsantrag der Klägerin zur Zurückverweisung gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
1. Entgegen den Ausführungen der Klägerin war der Berufung im Hauptantrag nicht bereits deshalb stattzugeben und die Beklagten zur Zahlung zu verurteilen, weil sich nach der Auffassung der Berufung bereits aus den Anstoßstellen der beteiligten Fahrzeuge ergebe, dass das klägerische Fahrzeug keinen Spurwechsel vorgenommen haben könne.
Den vorliegenden Fotos ist zu entnehmen, dass die hintere linke Ecke des Taxis sowie die hintere linke Rückleuchte beschädigt wurden. Dies spricht nicht gegen einen unmittelbar vor der Kollision vorgenommenen Fahrstreifenwechsel des klägerischen Taxis, welches unstreitig in den Mittelstreifendurchbruch einfahren wollte. Ob dies von der, wie die Klägerin behauptet, Linksabbiegerspur selbst erfolgte oder dergesta...