Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des Insolvenzgerichts, dass ein Vermieter die im Besitz des Schuldners befindliche Mietsache nicht einziehen darf und diese zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden kann
Normenkette
InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, § 169 S. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28.4.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 14 O 475/07 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von Mietzins bzw. einer finanziellen Kompensation in Höhe des vereinbarten Mietzinses für die Nutzung von Baumaschinen.
Die Klägerin vermietet Baumaschinen und -geräte, seit Jahren auch an die S. GmbH K. und -b. (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte wurde am
26.7.2007 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt; wegen der weiteren zeitgleichen Anordnungen des Insolvenzgerichts wird auf den Beschluss des AG Neuruppin (Anlage K 1) insbesondere zu Ziff. 7 verwiesen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Maschinen der Klägerin im Besitz der Schuldnerin. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 3 der Klageschrift (Bl. 3 d.A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 31.7.2007 kündigte die Klägerin die Mietverträge zum 1.8.2007. Mit Schreiben vom 1.8.2007 (Anlage K 2) wies der Beklagte das Verlangen der Klägerin, die Maschinen an sie herauszugeben, zurück. Er zahlte für die Zeit der Nutzung der Maschinen während des Eröffnungsverfahrens einen Wertverlustausgleich i.H.v. täglich 736,50 EUR (insgesamt 50.927,33 EUR) an die Klägerin. Wegen der Berechnung des Wertverlustes durch den Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 6.2.2008 nebst Anlage (Bl. 36 ff. d.A.) verwiesen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.10.2007 gab er die Maschinen an die Klägerin heraus.
Die Klägerin hat mit der dem Beklagten am 23.11.2007 zugestellten Klage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 126.751,18 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit dem am 28.4.2008 verkündeten und dem Beklagten am 6.5.2008 zugestellten Urteil, auf dessen weitere tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 123.237,86 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2007 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Der Klägerin stehe dieser Betrag als Masseforderung zu. Eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sei geboten. Das Insolvenzgericht habe den nicht mit einem allgemeinen Verfügungsverbot ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter mit Ziff. 7 des Beschlusses vom 26.7.2007 im Einzelfall ermächtigt, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Mit seiner an die Klägerin gerichteten Untersagung vom 1.8.2007, die Mietgegenstände abzuholen und in Besitz zu nehmen, habe der Beklagte von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Mit der Anmeldung ihrer streitgegenständlichen Mietzinsansprüche zur Insolvenztabelle habe die Klägerin nicht auf deren Geltendmachung als Masseforderung verzichtet. Die vor dem 1.8.2007 entstandenen Mietzinsforderungen seien als Insolvenzforderungen zu behandeln, die Klageforderung um die entsprechenden Teilbeträge zu kürzen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 73-81 d.A.) verwiesen.
Der Beklagte wendet sich mit seiner am 19.5.2008 eingelegten und - mittels eines am 20.6.2008 eingegangenen Schriftsatzes - begründeten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil mit folgenden Einwänden: Der streitgegenständliche Mietzinsanspruch der Klägerin sei nicht Masseverbindlichkeit, sondern lediglich Insolvenzforderung. Das Insolvenzgericht habe ihm keineEinzelermächtigung, bestimmte Verbindlichkeiten auch im Eröffnungsverfahren als Masseverbindlichkeit zu begründen, erteilt. Der Schuldnerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum aus dem Mietvertrag mit der Klägerin ein Recht zum Besitz der Baumaschinen zugestanden; auf die Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO komme es nicht an. Das LG habe die Bestimmung des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO zu Unrecht analog angewandt, weil keine Regelungslücke bestehe. Der Klagebetrag könne auch nicht gemäß den §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO als Masseverbindlichkeit geltend g...