Leitsatz (amtlich)
1. Zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 128a Abs. 1 ZPO bei zur Eindämmung des Coronavirus eingeschränktem Betrieb des Gerichts
2. Das Mindestpreisgebot gem. § 7 Abs. 6 Satz 1 HOAI 2009 ist nach dem Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 (C-377/17) weiterhin anzuwenden (Fortführung Senatsbeschluss vom 19. August 2019 - 21 U 20/19, Rn. 18 ff.). Die Richtlinie 2006/123 EG vom 12. Dezember 2006 (Dienstleistungsrichtlinie) ist innerhalb eines privaten Rechtsverhältnisses nicht unmittelbar zulasten des Architekten oder Ingenieurs anwendbar. Art. 49 AEUV ist auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht anwendbar.
3. Der Tragwerkplaner hat keine eigenen Kostenermittlungen zu erstellen. Zur Berechnung seines Honorars muss ihm der Auftraggeber die Kostenberechnung des Objektplaners vorlegen.
4. Geschieht dies nicht, kann der Tragwerkplaner selbst eine Kostenberechnung erstellen, die seiner Honorarberechnung zugrunde zu legen ist, soweit der Auftraggeber sie nicht konkret bestreitet.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 54 O 46/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25.09.2019 - 54 O 46/18 - wie folgt teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.417,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.07.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten und die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 72 %, der Beklagte 28 %. Von den Kosten der Berufung tragen der Kläger 65 %, der Beklagte 35 %.
Dieses und fortan auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, von Beruf Diplom-Bauingenieur, nimmt den Beklagten auf Zahlung von Honorar für die Tragwerksplanung zur Errichtung eines Anbaus an einen Imbissstand in Anspruch.
Der Kläger erstellte unter dem 22.02.2013 eine statische Berechnung für das Bauvorhaben, überschrieben mit "Planungsphase 4 - Genehmigungsplanung". In der Vormerkung zu der Berechnung ist ferner aufgeführt: "Die Statische Berechnung umfasst das Leistungsbild der Phase 4 Genehmigungsplanung gemäß HOAI und stellt keine Ausführungsplanung dar." Der Kläger ergänzte die Planung am 14.05.2013. Unter Zugrundelegung der Mindestsätze der HOAI 2013 und der Honorarzone III verlangte er mit Rechnung vom 01.07.2013 ein Honorar von 29.713,50 EUR für Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 6 vom Beklagten. Dieser teilte dem Kläger daraufhin mit, er werde mangels Beauftragung keine Zahlungen leisten. Anfang 2014 nahm der Beklagte den Anbau in Betrieb.
Der Kläger hat behauptet, er sei am 28.01.2013 anlässlich einer Besprechung in seinem Büro mit Leistungen der Tragwerksplanung nach den Leistungsphasen 1 bis 6 beauftragt worden. Ferner sei die Abrechnung nach der HOAI 2013 auf der Grundlage einer Kostenschätzung mit einem Ansatz von 500,00 EUR/m3 und Anwendung von Honorarzone III vereinbart worden. Der Kläger hat im weiteren Verlauf des Rechtsstreits behauptet, die anrechenbaren Kosten hätten 229.233,78 EUR netto betragen und eine dies ergebende Kostenberechnung als Anlage K 10, auf die wegen ihrer Einzelheiten verwiesen wird, eingereicht. Er habe - unstreitig - die genauen Angaben über Bodenarbeiten, Bauwerksabdichtungen, tragende Außenwände, Außenstützen, Deckenkonstruktionen, Dachkonstruktionen, Dachbelege, Dachverkleidungen, Baustelleneinrichtungen für die Rohbauarbeiten nebst erforderlichen Mengen an Material erhalten und anhand dieser Angaben eine Nachberechnung erstellt. Der Kläger hat ferner behauptet, der Zeuge R. habe als Prüfingenieur auf der Grundlage seiner statischen Berechnungen am 02.05.2013, 21.05.2013 und 31.01.2014 Prüfberichte zum Standsicherheitsnachweis erstellt. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Prüfberichte (Anlagen K 3, K 4 und die pdf-Datei "genehmigungsplanung s1-100" auf dem mit Schriftsatz des Beklagten vom 22.11.2018 eingereichten Datenträger, Bl. 136/I d.A.) Bezug genommen. Der Beklagte hat diese Behauptungen mit Nichtwissen bestritten.
Gegen den auf Antrag des Klägers erlassenen Mahnbescheid hat der Beklagte Widerspruch eingelegt, wovon das Amtsgericht Wedding den Kläger mit Schreiben vom 14.02.2017 benachrichtigt hat. Mit Schriftsatz vom 29.06.2017 hat der Kläger die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt. Nach Eingang der vollständigen Gerichtskosten am 17.07.2017 hat das Amtsgericht das Verfahren an das Landgericht abgegeben, wo es am 20.07.2017 eingegangen ist.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidu...