Entscheidungsstichwort (Thema)

Durchfuhr von Markenfälschungen und parallelimportierten Markenprodukten durch Deutschland nach Russland; Verantwortlichkeit des Spediteurs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch kommt bei einem reinen Durchfuhrgeschäft auch dann nicht in Betracht, wenn es sich um Markenfälschungen handelt und sowohl im Durchfuhrland (Deutschland) als auch im Ausfuhrland (Russland) ein Markenschutz besteht.

2. Wirkt ein Spediteurunternehmen im Inland an einer Versendung von Markenfälschungen in solche Länder mit, in denen Markenschutz besteht, kann bereits die bloße Durchfuhr ein in Deutschland begangener Teil einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB - im Inland eingeleitete Beeinträchtigung von Schutzrechten im Ausland - sein (Festhalten an den Grundsätzen BGH, GRUR 1957, 352, 353 - Pertussin II; GRUR 1958, 189, 197 - Zeiss; GRUR 2005, 1011, juris Rz. 17 - Diesel).

3. Eine solche unerlaubte Handlung kann hinsichtlich parallelimportierter Markenprodukte dann nicht angenommen werden, wenn die Widerrechtlichkeit des Parallelimports nach dem Recht des Ausfuhrlandes nicht hinreichend sicher festzustellen ist.

 

Normenkette

MarkenG § 14 Abs. 3 Nr. 4; GMVO Art. 9 Abs. 2 lit. c; BGB § 823 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.08.2008; Aktenzeichen 15 O 752/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.04.2012; Aktenzeichen I ZR 235/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.8.2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des LG Berlin - 15 O 752/07 - teilweise geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (die Ordnungshaft zu vollstrecken an einem der Geschäftsführer der Beklagten), zu unterlassen, Parfüms nach Russland einzuführen und/oder in Russland in den Verkehr zu bringen, die ohne Zustimmung der Firma C. L. Inc./USA oder der Firma E. L. C. Ltd./C. die Kennzeichnung "Clinique happy heart" oder die Kennzeichnung "Clinique happy" tragen, wenn dies geschieht wie hinsichtlich der Parfüms "Clinique happy heart" 30 ml und "Clinique happy" 4 ml, für die vom Hauptzollamt Potsdam (Zollamt Berlin-Flughafen-Tegel) die Aussetzung der Überlassung angeordnet worden ist (SV 1203 B C1.1 07DE210510618370A8).

2. Die Beklagte wird verurteilt, dass in ihrem Zolllager befindliche Kontingent der Parfüms "Clinique happy heart" 30 ml und "Clinique happy" 4 ml (für die gemäß vorstehend Ziff. 1 die Aussetzung der Überlassung angeordnet worden ist) an die Klägerin zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben.

3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung (hinsichtlich der Verurteilung vorstehend I.1. i.H.v. 50.000 EUR, hinsichtlich der Verurteilung vorstehend I. 2. i.H.v. 10.000 EUR und hinsichtlich der Kosten in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages) abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit (hinsichtlich der Verurteilungen I.1. und I. 2. in der zuvor genannten Höhe, hinsichtlich der Kosten in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages) leistet.

V. Die Revision beider Parteien zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin (Repräsentantin des E. L. Konzerns in Deutschland) macht gegen die Beklagte (eine Spediteurin) Unterlassungs- und Herausgabeansprüche hinsichtlich zweier nach ihrer Auffassung gefälschter Marken-Parfümprodukte und eines nach ihrer Auffassung unautorisiert parallelimportierten Marken-Parfümprodukts - jeweils aus der Serie "Clinique" - geltend, wobei sich die Beklagte darauf beruft, dass die Waren von Anfang an lediglich im Nichterhebungsverfahren im Transit (aus Dubai kommend und vom Flughafen Berlin/Tegel per Lkw) weiter nach Russland befördert werden sollten.

Im Rahmen ihrer Vertretung des Konzerns hatte die Klägerin u.a. für die deutschen Marken und Gemeinschaftsmarken "Clinique" und "Clinique Happy" Grenzbeschlagnahmeanträge gestellt, nach denen die Zollaußenstellen gehalten waren, hinsichtlich verdächtiger Einfuhrsendungen die Überlassung der Waren auszusetzen. Aufgrund dieser Anträge wurde die Klägerin mit Bescheid des Hauptzollamts Potsdam - ZA Berlin-Flughafen-Tegel - vom 29.3.2007 über die Aussetzung der Überlassung eines Teils eines Warenkontingents informiert, da der Verdacht einer Markenrechts- und Geschmacksmusterrechtsverletzung bestand. Die Ware war am 26.3.2007 aus Dubai am Flughafen Tegel angekommen. Es handelte sich um Parfümprodukte. Auf allen Kartons war der Name "Clinique Labs" aufgedruckt.

Das LG Berlin untersagte der Beklagten durch Beschluss vom 9.4.2007 im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, ohne Zustimmung der Markeninhaberin Parfüms mit den Marken "Clinique" ...

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