Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtshängigkeit bei Einreichung eines Scheidungsantrages beim Sozialgericht
Leitsatz (redaktionell)
Ein beim Sozialgericht eingereichter Scheidungsantrag kann wegen offenkundigen Rechtsmißbrauchs keine Rechtshängigkeit begründen, auch wenn im sozialgerichtlichen Verfahren nach den §§ 90, 94 SGG die Rechtshängigkeit – von den Regeln der ZPO abweichend – bereits mit Klageeinreichung eintritt.
Normenkette
ZPO § 261 Abs. 1; GVG § 17b; SGG §§ 90, 94
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 20.04.2007; Aktenzeichen 20 F 314/06) |
Tenor
Die Berufungen des Antragstellers gegen die Urteile des AG Schöneberg vom 20.4.2007 (20 F 314/06 und 20 F 72/07) werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen, den Tenor und die Entscheidungsgründe der beiden am 20.4.2007 verkündeten Prozessurteile des AG Schöneberg Bezug genommen.
Der Antragsteller verfolgt mit seinen beiden, vom Senat antragsgemäß zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Berufungen sowohl seinen 1. Scheidungsantrag vom 25.8.2006 als auch den weiteren, am 12.10.2006 beim Sozialgericht Darmstadt eingereichten Scheidungsantrag vom selben Tage weiter.
Der Antragsteller meint, dass sein erster Scheidungsantrag zu 20 F 314/06 zu unrecht als unzulässig abgewiesen worden sei, weil schon kein prozessuales Hindernis nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO gegeben sei, da es gar keine Identität des Streitgegenstandes zwischen der hier beantragten Scheidung nach § 1566 Abs. 1 BGB und einer irretrievably broken-Scheidung gäbe, für die die Antragsgegnerin Verschuldensgründe vortragen müsse. Jedenfalls müsse die Antragsgegnerin im Hinblick auf den ihm unbekannten "O. C. G. A. § 19-5-3(13)" Näheres für die Prüfung der Identität des Streitgegenstandes vortragen. Ein Scheidungsurteil, das in dem sich in der am ehesten mit einstweiligen Anordnungen vergleichbaren "Statusphase" befindlichen amerikanischen Verfahren ergehen würde, wäre jedenfalls nicht anerkennungsfähig, da ein solches mit dem von ihm in Deutschland am 12.10.2006 wirksam vor dem Sozialgericht Darmstadt früher rechtshängig gemachten Verfahren zu 20 F 72/07 kollidieren würde.
Im hinzuverbundenen Berufungsverfahren zu seinem 2. Scheidungsantrag zu 20 F 72/07 verweist der Antragsteller darauf, dass es - entgegen der Wertung des FamG - kein Rechtsmissbrauch sein könne, die Rechtshängigkeit vor Zustellung der Antragsschrift herbeizuführen, denn der jeweilige Gesetzgeber könne die Rechtshängigkeit, die keine Frage höherer Gerechtigkeit sei, so oder so regeln, und wenn der deutsche Gesetzgeber eine Aufrechterhaltung der prozessualen und materiellen Wirkungen einer Klageerhebung bei Verweisung von einer Gerichtsbarkeit mit Antragseingangsrechtshängigkeit in eine Gerichtsbarkeit mit Antragszustellungsrechtshängigkeit nicht gewollt hätte, hätte er § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG 1990 nicht eingeführt.
Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidungen des FamG. Sie trägt unwidersprochen zum weiteren Verfahrensgang in dem von ihr durch Antrag vom 14.9.2006 (Bl. 86 ff.) beim Superior Court of Fulton County, Georgia (USA) zu File No. 2006 CV122701 eingeleiteten Scheidungsverfahren vor, dass dort nach der Zustellung, die unstreitig gemäß gerichtlicher Bestätigung (Bl. 93) am 18.10.2006 durch persönliche Übergabe des Antrags an den hiesigen Antragsteller erfolgt ist, inzwischen diverse Termine mit Sachentscheidungen zum Kindes- und Ehegattenunterhalt sowie Anhörungen der Eheleute stattgefunden haben.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen und des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die vorgetragenen Inhalte der eingereichten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen. In Reaktion auf den Hinweis des Senats vom 25.7.2007 (Bl. 173) hat der Antragsteller die Revisionszulassung beantragt, woraufhin ihm der weitere Hinweis vom 7.9.2007 (Bl. 183) erteilt worden ist.
I. Die zulässigen Berufungen gegen die Prozessurteile des FamG sind unbegründet.
1. Das FamG ist zu 20 F 314/06 zutreffend davon ausgegangen, dass dem dort am 4.12.2006 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers bereits die anderweitige Rechtshängigkeit des von der Antragsgegnerin in den USA früher eingeleiteten Verfahrens entgegen steht, da dessen Rechtshängigkeit einer inländischen gleichsteht, weil die erforderliche Prüfung der Anerkennungsprognose ergibt, dass ein in den USA ergehendes Scheidungsurteil hier in Deutschland anzuerkennen sein wird.
Soweit der Antragsteller in Frage stellt, dass der Streitgegenstand im amerikanischen Verfahren mit dem hiesigen identisch ist, ist sein Vorbringen schon in Anbetracht der Aktenlage nicht überzeugend. Nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Antrag vom 14.9.2006 (Bl. 87), dessen Inhalte ohne weitere Übersetzung prüffähig sind, ergibt sich entsprechend der Würdigung des AG, dass der dortige Verfahrensgegenstand eindeutig als ein dem hiesigen Zerrüttungsscheidungsbegehren ...