Leitsatz (amtlich)
1. Unterliegt ein Bauvertrag der VOB/B ist eine teilweise Auftragsentziehung, die sich nicht auf einen in sich abgeschlossenen Teil der Leistung bezieht, gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B unwirksam. Je nach Auslegung der Kündigungserklärung im konkreten Einzelfall kann daraus nur die Unwirksamkeit der Beschränkung der Kündigung auf einen Leistungsteil folgen. Die nicht mit § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 VOB/B konforme Teilkündigung ist dann als Gesamtkündigung zu verstehen.
2. Aus der Vorleistungspflicht des Unternehmers im Bauvertrag folgt der Grundsatz "Vertragsdurchführung geht vor Preisgewissheit". Der Unternehmer darf seine Leistung deshalb nicht allein aus dem Grund verweigern, dass ihm der Besteller einen umstrittenen Nachtrag nicht zubilligt. Ein Grund zur Leistungsverweigerung entsteht erst dann, wenn der Besteller in Verzug mit der Zahlung tatsächlich fälliger Abschlagszahlungen gerät, die allerdings auch für die Ausführung umstrittener Nachträge begründet werden können.
3. Legt ein Unternehmer die von der Kündigungsvergütung gemäß § 648a Abs. 5 oder § 649 BGB abzuziehenden ersparten Aufwendungen anhand einer Kalkulation des Vertrages dar, ist es unschädlich, wenn diese Kalkulation keinen Unternehmergewinn ausweist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 40 O 23/14) |
Tenor
I. Das Versäumnisurteil vom 17.1.2017 wird aufgehoben.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG vom 2.2.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.547,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 44.547,84 EUR seit dem 3.7.2013 sowie aus weiteren 3.260,60 EUR vom 3.7.2013 bis zum 30.6.2014 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Berufung der Klägerin im Übrigen und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
IV. Die Klägerin hat die durch ihre Säumnis im Termin am 17.1.2017 veranlassten Kosten zu tragen. Im Übrigen hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen zu 1/3 zu tragen, die Beklagte zu 2/3.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte beabsichtigte, auf dem Grundstück K., ...Berlin einen Fachmarkt zu errichten. Die Klägerin ist ein Bauunternehmen. Am 18.10.2012 unterbreitete sie der Beklagten ein Angebot für das Gewerk Beton- und Stahlbetonarbeiten (Anlagen K 1 und K 3). Am 1.11.2012 erteilte die Klägerin der Beklagten auf dieser Grundlage den Auftrag (Anlage K 5).
Die Klägerin hatte unter anderem eine Elementtreppe einzubauen (Position 41 des Auftrags, vgl. Anlage B 1). Nachdem sie bereits mit den Arbeiten begonnen hatte, stellte sie in diesem Zusammenhang am 20.11.2012 eine Nachtragsforderung an die Beklagte (Anlage B 2) und forderte die Beklagte auf, ihr bis zum 27.11.2012 eine Sicherheit gemäß § 648a BGB in Höhe von 78.791,31 EUR zu leisten (Anlage B 8). Noch am selben Tag wies die Beklagte diesen Nachtrag zurück (Anlage B 3) und forderte die Klägerin auf, bis spätestens zum 22.11.2012 einen verbindlichen Termin für die Treppenmontage zu benennen (Anlage B 4). Nachdem dies nicht bis zum 23.11.2012 geschehen war, erklärte die Beklagte, der Klägerin den Auftrag hinsichtlich der Treppenmontage (Position 41) gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B zu kündigen (Anlage K 9). Mit Schreiben vom 29.11.2011 wies die Beklagte die Forderung der Klägerin nach einer Sicherheitsleistung zurück (Anlage K 6). Mit Schreiben vom 6.12.2012 erklärte die Klägerin die Kündigung des Vertrages gemäß § 648a BGB.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf die Vergütung gemäß § 648a Abs. 5 BGB in Anspruch.
Vor dem LG hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 67.380,96 EUR nebst Zinsen und weiteren vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten an sie zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet den Klageanspruch der Höhe nach und erklärt die Aufrechnung mit diversen Gegenforderungen.
Das LG hat die Beklagte nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 2.2.2015 zur Zahlung von 36.911,42 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat den Anspruch der Klägerin aus § 648a Abs. 5 BGB im Grundsatz für gegeben angesehen, einzelne Positionen aber nicht oder nicht in voller Höhe zuerkannt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens, dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und der Begründung des LG wird auf das Urteil vom 2.2.2015 verwiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Die Klägerin hat zunächst beantragt, das Urteil des LG dahin abzuändern, dass die Beklagte zur Zahlung weiterer 15.157,98 EUR nebst Zinsen seit dem 3.7.2013 verurteilt wird.
Die Beklagte hat zunächst beantragt, das Urteil des LG dahin abz...