Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einem dem Vermögen der Gemeinschuldnerin ohne Rechtsgrund zugeführten Geldbetrag handelt es sich um eine Inolvenzforderung, die der gesamten Gläubigerschaft bei der Verteilung der Masse zur Verfügung steht und daher der Anfechtung unterliegt.
2. Zur Anfechtung bei Verrechnungen mit dem Aufwendungsersatzanspruch im Kontokorrent.
Normenkette
GesO § 10 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 324/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.8.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin – 9 O 324100 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 83.730,69 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 13.10.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 91 % und die Beklagte zu 9 % zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Am 3.6.1997 bewilligte die Beklagte der Agrargenossenschaft B.-M./… e.G. (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) zur Bauträgerfinanzierung u.a. für die Zwischenfinanzierung einen Kreditrahmen von 32.000.000 DM, der wahlweise als Kontokorrent-, Geldmarkt- und/oder Avalkredit in Anspruch genommen werden konnte (Anl. K 14). Mit Schreiben vom 8.4.1998 (Bl. 21 d.A.) wies die Beklagte die Gemeinschuldnerin darauf hin, dass der Kreditrahmen voll ausgeschöpft sei und z.B. Kaufpreisgelder abgefordert werden müssten, um weitere Zahlungen vorzunehmen. Am 23.4.1998 wies das Kreditkonto der Gemeinschuldnerin ein Debetsaldo von 15.734.281,21 DM auf (Bl. 41 d.A.). Am selben Tag ließ die Beklagte Überweisungen zu Lasten des Kontos i.H.v. insgesamt 1.214.950 DM zu. Am 30.4.1988 belastete die Beklagte das Konto mit Zinsen i.H.v. 80.000 DM. Am 4.5.1998 verbuchte sie auf dem Konto die streitbefangene Gutschrift von 1.966.630 DM mit Wertstellung zum 30.4.1998 und ließ am selben Tag eine weitere Überweisung i.H.v. 587.917 DM zu (Bl. 42 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz, der dort gestellten Anträge, des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin Bezug genommen, das dem Kläger am 9.11.2001 zugestellt worden ist. Der Kläger hat dagegen am 10.12.2001 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.2.2002 an diesem Tag begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend: Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO seien auch Gläubigerhandlungen anfechtbar. Es handele sich bei der Gutschrift des vom Konto der I. umgebuchten Betrages vom 4.5.1998 um eine Leistung der Beklagten. Das Kondiktionsrecht der Beklagten sei durch § 814 BGB ausgeschlossen. Die eigenmächtige Überweisung der Beklagten habe allein der böswilligen Herbeiführung einer Aufrechnungslage gedient. Die „Entflechtungsvereinbarung” vom 30.10.2000 (39) sei ein Gesamtvergleich zwischen ihm – dem Kläger – als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der I., der bereicherungsrechtlich nicht mit der der Gemeinschuldnerin erteilten Gutschrift und der anschließenden Verrechnung durch die Beklagte auf dem debitorischen Konto korrespondiere. Die Bereicherungseinrede der Beklagten bestehe daher nicht.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 1.005.521,95 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 5.5.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend: Die Gemeinschuldnerin habe ihre Zahlungen bei Buchung der Gutschrift am 4.5.1998 noch nicht eingestellt gehabt. Der Rückzahlungsanspruch der I. sei durch die „Entflechtungsvereinbarung” ausgeglichen. Der Gutschrift habe von Anfang an die Bereicherungseinrede gegenübergestanden. Da ein Mangel im Anweisungsverhältnis zwischen ihr – der Beklagten – und der I. vorliege, stehe ihr ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin zu. Sie habe erstmals im Schreiben vom 28.4.1998 erfahren, dass die Fa. D. sie aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch nehmen werde. Die Überweisung von 537.917 DM am 4.5.1998 sei nicht auf die Bürgschaft erfolgt. Aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden sei sie erst am 28.5.1998.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingegangene Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
I. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die Klageforderung in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang nach entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 1 KO i.V.m. § 10 Abs. 1 GesO zu.
1. Ein Anfechtungsrecht aus § 1...