Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.02.2020; Aktenzeichen 11 O 23/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.02.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 11 O 23/19 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von einer 10 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Reichweite einer auf dem Grundstück der Beklagten lastenden Grunddienstbarkeit. Die Beklagte möchte auf ihrem Grundstück Häuser errichten, die Kläger dies unter Berufung auf die eingetragene Grunddienstbarkeit verhindern.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens in 1. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Grundstück "..." in ... ganz oder teilweise zu bebauen, insbesondere eine Bebauung vorzunehmen, die ganz oder teilweise dem Inhalt der Baugenehmigung des Bezirksamts ... Nr. ... vom ... entspricht oder vergleichbar ist, sowie entsprechende Vorbereitungshandlungen vorzunehmen. Die auf die Feststellung des Gegenteils gerichtete Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten hat das Landgericht abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dem Kläger stehe gemäß §§ 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB der beantragte vorbeugende Unterlassungsanspruch zu, da die unstreitig geplante und drohende Bebauung des streitigen Flurstücks die zugunsten des Grundstücks der Kläger eingetragene Grunddienstbarkeit beeinträchtigen, wenn nicht gar in weiten Teilen unmöglich machen würde. Sie hindere die Kläger an der Ausübung der Dienstbarkeit, denn die Grunddienstbarkeit erlaube den Berechtigten ohne zeitliche oder gegenständliche Begrenzung das Verweilen und Begehen des streitigen Flurstücks. Aus dem Wortlaut der Bewilligung ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts eindeutig, dass das streitige Geh-, Fahr- und Leitungsrecht "zum Verweilen, Gehen und Befahren mit Zweirädern und Handkarren" genutzt werden könne, und zwar ohne jede Einschränkung hinsichtlich des Verweilens. Die Eigentümer der Nachbargrundstücke dürften auf dem Grundstück uneingeschränkt verweilen, ebenso wie sie uneingeschränkt darüber gehen dürften. Diese Auslegung werde durch weitere Umstände bestätigt, die zum Zeitpunkt der Bestellung der Bewilligungsurkunde objektiv erkennbar gewesen seien. So ergebe sich aus der zu § 2 der Urkunde als Anlage mitbeurkundeten Baubeschreibung, dass dort im Rahmen der Skizze das Flurstück als Grünfläche mit Bäumen und Freiflächen dargestellt worden sei. § 1020 BGB i.V.m. Art. 14 GG stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen. Insoweit sei nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, weshalb vorliegend die Art der Ausübung der - unbegrenzt eingeräumten - Grunddienstbarkeit unverhältnismäßig sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das am 10.03.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.04.2020 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 11.05.2020, begründet.
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen vor, das Landgericht verletze im Rahmen der Auslegung der Grunddienstbarkeit die Rechte der Beklagten. Aus der Eintragung der Grunddienstbarkeit als "Geh-, Fahr- und Leitungsrecht" sei auf ein ganz typisches und häufiges Recht zu schließen, welches die Erschließung des herrschenden Grundstücks sichern solle, also dessen Zugänglichkeit und Versorgung. Auf diese Beschränkung der Grunddienstbarkeit durch die Eintragung im Grundbuch gehe das Landgericht nicht ein. Das Landgericht beschränke seine Auslegung im Wesentlichen auf ein einzelnes Wort, nämlich das Wort "verweilen" und verkenne dabei, dass damit kein Dauerzustand, sondern nur ein kurzer Moment gemeint sei. Mit der Auslegung, dass "Verweilen" ohne eine Einschränkung zu verstehen sei, verkürze das Landgericht die gebotene Auslegung in unzulässiger Weise und verliere dabei den Wortlaut von Grundbucheintrag und Bewilligungsurkunde sowie den erkennbaren Sinn und Zweck völlig aus den Augen. Sinn und Zweck der streitbefangenen Grunddienstbarkeit seien in § 1 Abs. 5 der Bezugsurkunde dokumentiert, wonach die Berechtigten Eigentümer das streitgegenständliche Flurstück mitbenutzen dürften, um zu Fuß oder mit Zweirädern jeder Art in den Garten ihrer Grundstücke zu gelangen. Zu Unrecht stelle dagegen das Landgericht auf die Erwähnung der Baubeschreibung in § 2 der Urkunde ab. § 2 und die dazugehörige Anlage seien jedoch nicht Bestandteil der Bewilligungsurkunde, da Bezugurkunden typischerweise Mischurkunden seien. Die Bewilligung der Grunddienstbarkeit in § 4 Abs. 2 verweise dagege...