Leitsatz (amtlich)

Es stellt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar, wenn die Anonymität des Wohnanwesens eines Prominenten durch Veröffentlichung eines Bildes unter Namensnennung des Bewohners aufgehoben wird.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 27 O 32/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.4.2004 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 32/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(Ohne Tatbestand gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 542 Abs. 2 ZPO).

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger kann Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Aufnahme seines Wohnhauses in P. unter Nennung seines Namens nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verlangen. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des LG.

1. Durch die Veröffentlichung der Aufnahme des Wohnhauses des Klägers in der Zeitschrift "H. u. W." vom 15.10.2003 hat die Beklagte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 9.12.2003 - VI ZR 373/02, MDR 2004, 507 = BGHReport 2004, 542 = NJW 2004, 762) - der sich der Senat anschließt - ist ein umfriedetes Grundstück jedenfalls dann der Privatsphäre zuzurechnen, wenn es dem Nutzer die Möglichkeit gibt, frei von öffentlicher Beobachtung zu sein. Der Schutz der Privatsphäre entfällt nicht deshalb, weil Vorbeikommende aufgrund der landschaftlichen Gegebenheiten Grundstücksteile einsehen können. Bei einem umfriedeten Wohngrundstück bleibt der typisch private Charakter für Dritte bereits durch dessen erkennbaren Nutzungszweck bestimmt. Ein Eingriff in die Privatsphäre ist regelmäßig zwar nicht gegeben, wenn lediglich das Fotografieren der Außenansicht eines Grundstücks von einer allgemein zugänglichen Stelle aus und die Verbreitung dieser Fotos in Frage stehen, weil die Aufnahmen nur den ohnehin nach außen gewandten Bereich betreffen. Dagegen ist ein Eingriff zu bejahen, wenn Bilder aufgenommen werden, um sie unter Namensnennung des Betroffenen gegen dessen Willen zu veröffentlichen und zu verbreiten. Dadurch wird das Recht des Betroffenen auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung seiner persönlichen Lebensumstände beeinträchtigt.

Danach liegt im vorliegenden Fall ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor, denn die Beklagte hat die Anonymität des Anwesens durch die Beiordnung des Namens ("D.V.i.P. ist der einzige Luxus, den sich die Familie J. leistet") aufgehoben. Dies begründet die Gefahr, dass das Wohnhaus in seiner Eignung als Rückzugsort für den Kläger beeinträchtigt wird, weil Schaulustige das Grundstück besuchen.

2.a) Über die Klage ist aufgrund einer Abwägung des nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers mit dem gem. Art. 5 Abs. 1 GG ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung bzw. Pressefreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden. Die Abwägung ist im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der zivilrechtlichen Vorschriften vorzunehmen und hat die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen (BVerfG NJW 1990, 1980; v. 4.4.2000 - 1 BvR 1505/99, NJW 2000, 2189; BGH v. 9.12.2003 - VI ZR 373/02, MDR 2004, 507 = BGHReport 2004, 542 = NJW 2004, 762).

b) Mit der Veröffentlichung hat die Beklagte im Rahmen des Grundrechts auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) gehandelt, die die institutionelle Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung gewährleistet (BVerfGE 10, 118 [121]). Auch wenn die Berichterstattung über die Lebens- und Wohnverhältnisse eines Prominenten in erster Linie das Bedürfnis nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt, ist sie vom Grundrecht der Pressefreiheit grundsätzlich umfasst. Denn die Pressefreiheit gilt für alle Presseveröffentlichungen ohne Rücksicht auf ihren Wert (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361 [389] = MDR 2000, 211; BGH v. 9.12.2003 - VI ZR 373/02, MDR 2004, 507 = BGHReport 2004, 542 = NJW 2004, 762).

c) An diesen Grundsätzen ist auch im Hinblick auf das Urteil des EuGH für Menschenrechte vom 24.6.2004 (EuGHMR v. 24.6.2004 - 59320/00, NJW 2004, 2647) festzuhalten. Der EGMR hat ausgeführt, dass die Veröffentlichung der umstrittenen Fotos und Artikel in dem zu entscheidenden Fall nur die Neugier eines bestimmten Publikums über das Privatleben der Beschwerdeführerin befriedigen wollte und trotz des hohen Bekanntheitsgrades der Beschwerdeführerin n...

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