Leitsatz (amtlich)
Der Notar hat in eigener Verantwortung zu prüfen, ob für die Entgegennahme von Geld zur Verwahrung ein berechtigtes Sicherungsinteresse besteht. Der ihm dabei zustehende, von den Aufsichtsbehörden nur eingeschränkt nachprüfbare Beurteilungsspielraum steht der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen im Einzelfall nicht entgegen, auch wenn dem Notar keine regel- oder standardmäßige Verwendung von Notaranderkonten vorzuwerfen ist.
Normenkette
BDG §§ 13, 60; BeurkG §§ 17, 54a a.F., § 57; BNotO §§ 92, 95, 97-98
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.04.2018) |
Nachgehend
Tenor
Die Disziplinarverfügung der Präsidentin des Landgerichts Berlin vom 17. April 2018 - NotRev #########/17 - wird dahingehend abgeändert, dass die Geldbuße auf 2.000,00 EUR herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der am ###### geborene Kläger wurde 1986 als Rechtsanwalt zugelassen und am ###### 1996 zum Notar für den Bezirk des Kammergerichts bestellt. Sein Notariat ist überwiegend liegenschafts- und gesellschaftsrechtlich ausgerichtet. Der Geschäftsanfall lag in den Jahren 2012 bis 2016 jeweils bei mehr als 1.000 in die Urkundenrolle einzutragender Geschäfte, wobei Unterschriftsbeglaubigungen ohne Entwurf nur einen geringen Teil ausmachten und die Zahl von Verwahrungsgeschäften rückläufig war.
Der Kläger ist bislang disziplinarrechtlich einmal in Erscheinung getreten: Eine im August 2012 bei dem Kläger durchgeführte Revision gab Anlass, ihm mit Disziplinarverfügung vom 20. Dezember 2013 einen Verweis zu erteilen und zugleich gegen ihn eine Geldbuße von 8.500,00 EUR zu verhängen. Dem Kläger wurden Verstöße gegen Verwahrungsanweisungen bei ihm hinterlegender Banken bzw. Sparkassen vorgeworfen.
Im Anschluss an eine am 25. und 26. Januar 2017 bei dem Kläger durchgeführte Revision leitete die Präsidentin des Landgerichts am 14. August 2017 ein weiteres Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein. Die Revision hatte ergeben, dass der Kläger bei drei Verwahrungsgeschäften - Massen 65/15, 13/16 und 66/15 - die ihm von den Beteiligten erteilten Weisungen nicht wortgetreu befolgt hatte. Außerdem hatte der Kläger in fünf Fällen - Massen 9/16, 10/16, 11/16, 20/16 und 66/15 - Gelder der Beteiligten zur Verwahrung entgegen genommen, obwohl ihm Verwahrungsanweisungen erst in den zeitlich nachfolgenden Beurkundungen erteilt worden waren.
Zu seiner UR-Nr. 52/16 hatte der Kläger am 11. Januar 2016 einen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung über ein in Berlin belegenes und mit einem Mehrfamilienwohnhaus bebautes Grundstück beurkundet. Von dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 2.150.000,00 EUR hatte der Käufer einen ersten "Kaufpreisteilbetrag in Höhe von 300.000,00 € (...) binnen 3 Werktagen auf dem neu einzurichtenden Notaranderkonto (...) zu treuen Händen des Notars zu hinterlegen." Die Beteiligten wiesen den Notar an, den hinterlegten Betrag zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Restkaufpreises an die Verkäuferin zu zahlen. Weiter heißt es unter § 2 IV. der Urkunde u.a.:
"Sofern der Verkäufer von dem Vertrag zurücktritt, weil der Käufer den Restkaufpreis auch nach Ablauf einer vom Verkäufer gesetzten Nachfrist von mindestens 5 Wochen nicht gezahlt hat, hat der Verkäufer Anspruch auf einen pauschalen - und abschließenden - Schadensersatz in Höhe von 300.000,00 €. Der Notar wird von den Vertragsparteien - einseitig nicht widerruflich - angewiesen, in diesem Fall die bei ihm hinterlegte 1. Kaufpreisrate in Höhe von 300.000,00 € an den Verkäufer auszukehren."
Am 21. April 2016 hatte der Kläger zu seiner UR-Nr. 393/2016 einen Vertrag über die Veräußerung einer in Abt. III des Grundbuchs unbelasteten Eigentumswohnung nebst zweier ebenfalls in Abt. III der jeweiligen Grundbücher lastenfreier Stellplätze und einer Einbauküche zum Kaufpreis von insgesamt 780.000,00 EUR beurkundet. Die Beteiligten vereinbarten, einen ersten Kaufpreisteilbetrag "in Höhe von 50.000,00 EUR (...) binnen 14 Tagen ab Beurkundung auf dem neu einzurichtenden Notaranderkonto (...) zu treuen Händen des Notars zu hinterlegen." Die "Kosten des Notaranderkontos" übernahm die Verkäuferin. Der Kläger wurde angewiesen, den bei ihm hinterlegten Betrag unter näher bestimmten Voraussetzungen innerhalb von drei Bankarbeitstagen an den Verkäufer zu zahlen. Unter § 2 III. vereinbarten die Parteien:
"Zahlt der Käufer einen Kaufpreisteilbetrag bei jeweiliger Fälligkeit nicht, kann der Verkäufer vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn er dem Verkäufer erfolglos eine Frist von 7 Kalendertagen zur Zahlung bestimmt hat. Fristset...