Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 297/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerinnen wird das am 9. Dezember 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, 16 O 297/21, teilweise abgeändert.
Den Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, jeweils bis zu sechs Monaten und zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, weiter untersagt, Ausschnitte aus der Wahlberichterstattung der Verfügungsklägerinnen auf Bild- und Tonträger aufzunehmen, zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wie geschehen bei ... am 26. September 2021 zwischen 18:16 Uhr und 18:18 Uhr im Hinblick auf ein Interview mit dem CDU-Generalsekretär ... in der ARD-Sendung "Bundestagswahl 2021" und in dem folgenden Screenshot dargestellt:
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Der Verfügungsbeklagten zu 2) wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, jeweils bis zu sechs Monaten und zu vollziehen an ihren Vorstandsmitgliedern, weiter untersagt, Ausschnitte aus der Wahlberichterstattung der Verfügungsklägerinnen auf Bild- und Tonträger aufnehmen zu lassen, vervielfältigen zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen, wie geschehen durch einen Livestream auf dem eigenen YouTube-Kanal und anschließende Zurverfügungstellung on Demand bei YouTube der ... im Hinblick auf ein Interview mit dem CDU-Generalsekretär ... in der ARD-Sendung "Bundestagswahl 2021" und in dem folgenden Screenshot dargestellt:
((Abbildung))
2. Die weitergehenden Berufungen der Verfügungsklägerinnen und die Berufungen der Verfügungsbeklagten werden jeweils zurückgewiesen.
3. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
A. Die statthaften und zulässigen Berufungen der Verfügungsbeklagten sind unbegründet. Denn die Verfügungsklägerinnen haben in Bezug auf die Prognose und die Hochrechnung einen Verfügungsanspruch (II. bis IV.) und einen Verfügungsgrund (V.).
I. Die Anträge der Verfügungsklägerinnen bzw. das darauf beruhende Urteil des Landgerichts sind im Sinne von § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO ausreichend bestimmt.
1. Den Verfügungsbeklagten ist es nach dem angegriffenen Urteil untersagt, das Livesignal einer Wahlberichterstattung der Verfügungsklägerinnen ganz oder teilweise im Rahmen einer eigenen Sendung weiterzusenden und die eigene Sendung mit der in dieser Weise integrierten Wahlberichterstattung der Antragstellerinnen auf Bild- und Tonträger aufzunehmen, zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn das Livesignal eine Prognose oder Hochrechnung bzw. einen Moderator darstellt, der die Prognose oder Hochrechnung live erklärt und/oder einordnet. Diese Handlungen werden aus dem Antrag und den Screenshots, die diesen erläutern, hinreichend deutlich. Aus den Screenshots ergeben sich Einzelbilder, die im Rahmen der Kombination von Tonaufnahme und Bildern verwendet worden sind (siehe aktuell nur BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 140/15, Randnummer 30 - YouTube II).
2. Auch die Zweifel der Verfügungsbeklagten, was ihnen inhaltlich genau verboten ist, gehen fehl. Es ist eindeutig, was ihnen bislang verboten ist: Die vollständige oder teilweise Aufnahme des Livesignals einer Wahlberichterstattung der Verfügungsklägerinnen, die vollständige oder teilweise Vervielfältigung einer Aufnahme des Livesignals einer Wahlberichterstattung der Verfügungsklägerinnen und/oder die vollständige oder teilweise öffentliche Zugänglichmachung des Livesignals einer Wahlberichterstattung der Verfügungsklägerinnen im Rahmen einer eigenen Sendung. In Bezug auf die Vervielfältigung sind offensichtlich sämtliche Datenträger erfasst, soweit es um das Livesignal geht.
II. 1. Die Verfügungsklägerinnen sind, wie vom Landgericht unter II. 1 1.1 a) ausgeführt, Sendeunternehmen im Sinne von § 87 Absatz 1 UrhG. Sie haben danach unter anderem das ausschließliche Recht, ihre Funksendungen weiterzusenden und öffentlich zugänglich zu machen, ihre Funksendungen auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen sowie die Bild- oder Tonträger zu vervielfältigen.
2. Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) haben diese Rechte verletzt und können von den Verfügungsklägerinnen daher nach § 97 Absatz 1 UrhG wie geschehen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
a) Denn die Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) haben, bezogen auf die Prognose und die Hochrechnung, zum einen das Livesignal einer Funksendung der Verfügungsklägerinnen weitergesendet und öffentlich zugänglich gemacht (§ 87 Absatz 1 Nummer 1 Fall 1 und Fall 2 UrhG).
aa) Die öffentliche Zugänglichmachung ist zwischen den Parteien unstreitig.
bb) Die Verfügungsbeklagten zu 1) und 3) haben das Livesignal aber auch weitergesendet. Wie vom Landgericht unter II. 1 1.1 b) aa) näher ausgeführt; wird der Begriff "weiterzusenden" nicht durch § 20b Absatz 1 Satz 1 UrhG definiert. Denn der Begriff der Weitersendung knüpft an den Begriff der Sendung (§ 20 ...