Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines Vergleichs

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 6 O 272/98)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3.2.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 6 des LG Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.d. jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten wegen von ihr behaupteter Fehler anlässlich der Operation durch den Beklagten an ihrem rechten Handgelenk am 26.10.1993 ein über das bereits gezahlte Schmerzensgeld von 10.000 DM hinausgehendes weiteres Schmerzensgeld von 50.000 DM sowie eine monatliche Unfallrente von 300 DM seit dem 26.10.1993.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.1998 vor dem LG einen Vergleich auf Widerruf bis zum 23.12.1998 geschlossen, nach dem der Beklagte sich verpflichtete, an die Klägerin zum Ausgleich sämtlicher Ansprüche aus der Operation vom 26.10.1993 weitere 15.000 DM zu zahlen.

Dieser Vergleich – so behauptet die Klägerin – sei von ihr rechtzeitig mit einem am 22.12.1998 übersandten Telefax an das LG widerrufen worden.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz, der dort gestellten Anträge und der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat durch am 3.2.2000 verkündetes Urteil die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich festgestellt. Es könne nicht festgestellt werden, dass das Telefaxgerät des LG am 22.12.1998 den Widerrufsschriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgedruckt habe. Ferner seien die Geschehensabläufe im Zusammenhang mit der Absendung des Schriftsatzes ungeklärt.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer rechtzeitigen Berufung macht die Klägerin geltend, das LG habe aufgrund falscher Beweiswürdigung im Freibeweisverfahren entschieden, dass der Prozessvergleich den Rechtsstreit beendet habe. Sie meint, die Absendung des Widerrufsschriftsatzes per Telefax sei bewiesen. Es müsse genügen, wenn das Empfangsgerät den Schriftsatz ausdrucke, wovon entgegen der Ansicht des Sachverständigen auszugehen sei. Die „OK”-Vermerke im Sendebericht ihres Prozessbevollmächtigten und im Sendebericht des LG müssten genügen. Soweit der mangelnde Nachweis des Zugangs nach Sachverständigenansicht mit einer Leitungsstörung im Stromnetz oder durch andere äußere Einflüsse wie Erschütterungen beim Empfangsgerät erklärt werde, sei ihr dies nicht anzulasten. Betriebsstörungen im Gerät des LG habe sie nicht zu vertreten.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 3.2.2000 verkündeten Urteils des LG Berlin zum Aktenzeichen 6 O 272/98 den Rechtsstreit fortzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das LG hat auf den Fortsetzungsantrag der Klägerin zu Recht die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits durch den Vergleich vom 10.12.1998 festgestellt, weil die Klägerin den rechtzeitigen Zugang des Vergleichswiderrufs nicht zu beweisen vermochte.

Für den Zugang – wobei der Telefax-Ausdruck maßgeblich ist (vgl. BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, MDR 1995, 953 = NJW 1995, 665 [667]) – gelten im Falle der Vereinbarung eines an das Gericht zu richtenden Widerrufs eines Vergleichs die für Rechtsmittel entwickelten Grundsätze, wonach der Zugang zu den Gerichten nicht unnötig erschwert werden darf (BGH v. 21.6.1989 – VIII ZR 252/88, MDR 1990, 43 = NJW-RR 1989, 1214 [1215]; BAG v. 24.10.1985 – 2 AZR 521/84, NJW 1986, 1373). Es können also die in anderem Zusammenhang entwickelten Grundsätze (BGH v. 30.10.1996 – XII ZB 140/96, NJW-RR 1997, 250) für den Zugang von Telefax-Schriftsätzen herangezogen werden. Ebenso wenig wie die Briefabsendung trotz einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit für den Zugang des Briefes einen Anscheinsbeweis zu rechtfertigen vermag (vgl. mit ausführlicher Begründung Laumen in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, 2. Aufl., § 130 Rz. 4; ferner BGHZ 24, 308 [312 ff.]), genügt für den (Anschein-)Beweis des Zuganges eines Telefax der Beweis der Absendung (vgl. BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, MDR 1995, 952 = NJW 1995, 665 [666 f.]; OLG München v. 18.1.1998 – 21 U 3131/98, OLGR München 1998, 346; OLG München v. 16.12.1992 – 7 U 5553/92, CR 1994, 98 = OLGR München 1993, 93 = NJW 1993, 2447; KG v. 4.3.1994 – 5 W 7083/93, CR 1995, 27 = KGR 1994, 155 = KGR 1994, 155 = NJW 1994, 3172). Soweit in der Rechtsprechung ein Anscheinsbeweis angenommen wird (OLG München v. 8.10.1998 – 15 W 2631/98, OLGR München 1999, 286 = M...

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