Leitsatz (amtlich)
Befindet sich der Zustellungsempfänger vier Monate in Strafhaft, sind die zuvor bewohnten Räume während dieser Zeit nicht mehr "Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften.
Hat der Mieter nach Austausch der Schlösser durch den Vermieter keinen Zugang zu den Mieträumen, hat der Vermieter - unabhängig von der Wirksamkeit der von ihm zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung - keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB für die Zeit nach Austausch der Schlösser.
Im ersten Rechtszug nicht geltend gemachte Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im Berufungsverfahren nicht allein deshalb mangels Nachlässigkeit der Partei i.S.d. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen, weil sich der Beklagte vier Monate in Strafhaft befand.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 29 O 452/03) |
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 2.5.2005 - 12 U 121/04 - wird insoweit aufrecht erhalten, als die Parteien nicht den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 1) (Räumung) für erledigt erklärt haben.
Der Beklagte trägt vorab die Kosten seiner Säumnis im schriftlichen Vorverfahren erster Instanz.
Der Kläger trägt die Kosten seiner Säumnis im Termin vom 2.5.2005.
Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der am 3.5.2005 bei Gericht eingegangene Einspruch des Klägers gegen das am 18.5.2005 zugestellte Versäumnisurteil vom 2.5.2005 ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. In der Sache hat er nur hinsichtlich der Kosten bezüglich des von den Parteien für erledigt erklärten ursprünglichen Klageantrag zu 1) (Räumung) Erfolg.
1. Zu Unrecht hat das LG den Einspruch des Beklagten vom 24.3.2004 gegen das Versäumnisurteil vom 14.2.2004 als unzulässig verworfen. Entgegen der Ansicht des LG ist das Versäumnisurteil vom 14.2.2004 dem Beklagten nicht wirksam zugestellt worden, so dass die Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO nicht in Gang gesetzt wurde. Der Beklagte hat durch Vorlage des Vollstreckungsblattes nachgewiesen, dass er sich in der Zeit vom 16.1.2004 bis zum 15.5.2004 zur Verbüßung einer viermonatigen Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt B.-T. in Strafhaft befand. Dies führt grundsätzlich dazu, dass die vom Beklagten ursprünglich bewohnten Räume im H. Damm ..., wo das Versäumnisurteil vom 14.2.2004 am 24.2.2004 an Frau A.B. übergeben wurde, nicht mehr als "Wohnung" des Beklagten im Sinne der Zustellungsvorschriften anzusehen war. So hat der BGH bereits für eine knapp zweimonatige Freiheitsstrafe entschieden, dass die ursprünglich vom Zustellungsempfänger bewohnten Räume die Eigenschaft als "Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften verlieren (BGH MDR 1978, 558 [559]). Dass die Räume im H. Damm Nr. ... während der Dauer der Strafhaft des Beklagten von einem Angehörigen des Beklagten bewohnt worden sind und der Beklagte zu diesem eine persönliche Beziehung aufrecht erhalten hat, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass es sich bei Frau A.B., an die der Zusteller das Versäumnisurteil übergeben hat, um die Vermieterin des Beklagten handelt, bei der er zur Untermiete gewohnt hatte. Hatte der Beklagte aber am 24.2.2004 seine Wohnung nicht mehr im H. Damm Nr. ..., so konnte dort auch keine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfolgen, ohne dass es noch auf die Frage ankommt, ob die Vermieterin des Beklagten als "Erwachsener ständiger Mitbewohner" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, was als zweifelhaft erscheint.
2. Der vom Kläger jetzt noch verfolgte Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 620 EUR monatlich für die Zeit vom Mai 2003 bis zur Räumung am 7.4.2005 ist nicht begründet. Ein Anspruch auf Zahlung von Mietzins gem. § 535 Abs. 2 ZPO steht dem Kläger für den geltend gemachten Zeitraum ab Mai 2003 - unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 11.4.2003 - schon deshalb nicht zu, weil der Kläger unstreitig im Mai 2003 die Schlösser zu den streitgegenständlichen Räumen in der C.-straße ...-... ausgetauscht und dem Beklagten keinen Schlüssel für die neuen Schlösser übergeben hat. Durch dieses Verhalten hat der Kläger dem Beklagten die Nutzung der ursprünglich gemieteten Räume vorenthalten, so dass ein Anspruch auf Zahlung von Mietzins entfällt (OLG Koblenz v. 1.6.1992 - 5 W 293/92, ZMR 1993, 68; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 535 Rz. 14).
Auch ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gem. § 546a ZPO steht dem Kläger für die Zeit ab dem Austausch der Schlösser nicht zu. Da nach dem Austausch der Schlösser allein der Kläger Zugang zu den streitgegenständlichen Räumen hatte, kann nicht davon gesprochen werden, der Beklagte habe dem Kläger die vermieteten Räumlichkeiten vorenthalten. Jedenfalls würde es gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, wenn sich der Kläger, nachdem er sich durch Austausch der Schlösser in den B...