Leitsatz (amtlich)
1. Zur fehlenden Vertretungsbefugnis eines Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 39 Abs. 1 GenG bei dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit einem Vorstandsvorsitzenden.
2. Zur einvernehmlichen Aufhebung eines Dienstvertrages eines Vorstandsvorsitzenden ohne Zustimmung der Vertreterversammlung einer Genossenschaft.
3. Zur Behandlung fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse einer Genossenschaft.
4. Zur Problematik, ob ein Rechtsgeschäft, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender einer Genossenschaft ohne Bevollmächtigung tätigt, nichtig oder schwebend unwirksam ist.
5. Zur Problematik der Wirksamkeit einer Abfindungsvereinbarung.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.02.2005; Aktenzeichen 3 O 208/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.2.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des LG Berlin - Geschäftsnummer:
3 O 208/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 344.770,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 27.5.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin 32 % und der Beklagte 68 % zu tragen. Davon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten, die den Streithelfern zu 1) und 2) in beiden Instanzen entstanden sind. Diese hat die Klägerin zu 32 % zu tragen. Im Übrigen haben die Streithelfer zu 1) und 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist eine gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft.
Am 27.5.1991 beschloss der Aufsichtsrat der Klägerin, den Beklagten zum hauptamtlichen Vorstandsvorsitzenden zu bestellen.
Am selben Tag schloss der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Klägerin, Dr. S., mit dem Beklagten einen Dienstvertrag, wonach seine Bestellung bis zum 31.5.1996 erfolgte. Im Vorspruch hieß es: "... Der Aufsichtsrat bestätigt in seiner Sitzung vom 27.5.1991 die Bestellung und den Dienstvertrag mit Herrn W.B. mit folgendem Inhalt:...".
Es hieß in § 4 Abs. 3 des Vertrages:
"Herr B. erhält eine Abfindung i.H.v. achtzehn Monatsgehältern, wenn der Aufsichtsrat auf seine Tätigkeit, entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zum Widerruf der Bestellung, verzichtet oder Herr B. seinen Dienstvertrag kündigt."
Am 2.11.1994 schlossen Dr. S. und der Beklagte eine Ergänzungsvereinbarung. Darin hieß es u.a. (2)... Herr B. hat ... die Möglichkeit, unter Beibehaltung seiner Rechte und insbesondere seiner Ansprüche gem. § 4 Abs. 3 und 4 des Vertrages vorher mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende des Kalenderjahres zu kündigen ... Weiter hieß es: (3.1.): "Für den Fall, dass der Aufsichtsrat auf die Tätigkeit von Herrn B., entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zum Widerruf der Bestellungen, verzichtet, erhält Herr B.mit Beginn des Ablaufes des achtzehnten Monats nach Verzicht auf seine Tätigkeit ein Übergangsgeld i.H.v. 65 Prozent seines letzten Jahresgehaltes in zwölf Teilbeträgen bis zum Beginn der Altersrentenzahlung aus der gesetzlichen Rentenversicherung."
Am 27.4.1995 beschloss der Aufsichtsrat, den Beklagten für die Zeit vom 1.6.1996 bis zum 31.5.2001 erneut zum Vorstandsmitglied zu bestellen und den Dienstvertrag entsprechend zu verlängern.
Weitere Änderungsvereinbarungen wurden zwischen Dr. S. und dem Beklagten am 5.5.1995, 19.11.1996 und 12.12.1996 geschlossen.
Am 11.5.2000 lehnte der Aufsichtsrat eine Beschlussvorlage ab, den Beklagten nach Beendigung seines Anstellungsverhältnisses für weitere fünf Jahre bis zum 31.5.2006 zum Vorstandsvorsitzenden zu bestellen.
In einer Sitzung vom 27.6.2000 beschloss der Aufsichtsrat, den Beklagten nach Beendigung der laufenden Amtszeit nicht wieder zu bestellen und den Dienstvertrag zu kündigen. Dies wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 29.6.2000 mitgeteilt.
Nach Neuwahl des Aufsichtsrates am 4.10.2000, hob dieser in einer Sitzung vom 30.11.2000 den Beschluss vom 27.6.2000 auf und beschloss, den Beklagten für die Zeit vom 1.6.2002 bis 30.5.2006 als Vorstandsvorsitzenden wieder zu bestellen und den bisherigen Dienstvertrag "einschließlich der dazu vereinbarten Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen" fortzuführen. Es hieß in dem Beschluss weiter, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Herr S. bevollmächtigt werde, die Ergänzungs- und Änderungsvereinbarung zur Fortführung des Dienstvertrages mit Herrn B.abzuschließen.
Der Streithelfer zu 2. und der Beklagte schlossen am 1.12.2000 eine Ergänzungs-/Änderungsvereinbarung zum Dienstvertrag vom 27.5.1991, mit der u.a. die Bemessungsgrundlage für di...