Normenkette

BGB § 630h Abs. 5 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 05.07.2018; Aktenzeichen 6 O 271/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 05.07.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 6 O 271/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist, ebenso wie das angefochtene, vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten, einem niedergelassenen Augenarzt, Schmerzensgeld und Schadensersatz mit der Behauptung, er habe fehlerhaft das bei ihr vorliegende Normaldruckglaukom nicht erkannt, weil er trotz auffälliger CDR-Werte keine Gesichtsfeldmessung oder andere weiterführende Diagnostik betrieben habe.

Deswegen sei die Erkrankung fortgeschritten und habe bei ihr zu erheblichen Haushaltsführungsschäden und Verdienstausfallschäden geführt.

Das Landgericht hat, sachverständig beraten durch den Augenarzt Dr. V..., die Klage abgewiesen, weil keine Behandlungsfehler zu erkennen seien bzw. selbst bei Annahme eines Befunderhebungsfehlers eine Befunderhebung nicht mit hinreichender Sicherheit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte. Zudem müsse man aufgrund des weiteren Verlaufs von einer therapieresistenten Erkrankung der Klägerin ausgehen.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge, auf die Bezug genommen wird, weiter, und vertieft ihr Vorbringen unter Einreichung einer privatgutachterlichen Stellungnahme. Sie ist der Ansicht, aus den Äußerungen des Privatgutachters und der Schlichtungsstelle einen groben Befunderhebungsfehler ableiten zu können.

Der Beklagte beantragt Berufungszurückweisung und verteidigt das Urteil.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16. Januar 2020 Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zurückzuweisen, da auch nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme der Klägerin der Nachweis eines die Beweislast umkehrenden Fehlers des Beklagten nicht gelungen ist.

Die Klägerin ist sich bewusst, dass sie im Hinblick auf die Unwägbarkeiten, welche der bei ihr eingetretenen Folgen auf ihre schwer behandelbare Grunderkrankung und welche auf eventuelle Behandlungsfehler des Beklagten zurückzuführen sind, einer Beweislastumkehr bedarf, um einen Haftungsgrund bewiesen zu bekommen.

1. Ein unterstellter einfacher Fehler bei der Befunderhebung (Durchführung einer Gesichtsfeldmessung bei auffälliger CDR 2009 oder 2010) führt hier ersichtlich nicht zur Haftung, weil sowohl der gerichtlich bestellte Sachverständige als auch die Schlichtungsgutachterin sowie der beschäftigte Privatgutachter (Bl. 49 II d.A.) sich darin einig sind, dass sie nicht sagen können, ob eine frühere Behandlung des Normaldruckglaukoms irgendetwas am Verlauf geändert hätte; der gerichtlich bestellte Sachverständige hält dies sogar mit beachtlichen Argumenten aufgrund des weiteren Krankheitsverlaufs bei der Klägerin für unwahrscheinlich und ordnet sie in die Gruppe der etwa 10 % der Patienten ein, bei denen das Normaldruckglaukom therapieresistent ist.

2. Deswegen stützt sich die Klägerin zunächst auch im Ansatz zutreffend auf die Beweislastumkehr bei einfachem Befunderhebungsfehler, wenn der (hypothetisch erhobene) Befund ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt hätte, auf das nicht zu reagieren grob behandlungsfehlerhaft bzw. das zu verkennen schlechthin unverständlich gewesen wäre. Hier hat der gerichtlich bestellte Sachverständige, was das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, deutlich gemacht, dass angesichts der von ihm bei der persönlichen Untersuchung der Klägerin gesehenen spezifischen Augenkonstellation der Klägerin (schräger Sehnerveintritt, der schon allein zu einer größeren CDR führt, sowie eines conus myopicus um den Sehnerv, d.h. der Überdehnung der hinteren Netzhaut und Aderhaut ≪GA S.13≫, was es zudem erschwert, bei der visuellen Papillenuntersuchung eine peripapilläre Atrophie nachzuweisen, GA S. 14) es jedenfalls nicht hinreichend wahrscheinlich war (mit einer Wahrscheinlichkeit von jedenfalls mehr als 50 %, was die Figur der Beweislastumkehr bei einfachem Befunderhebungsfehler jedoch verlangt, vgl. OLG Köln, Urteil vom 18. August 2010 - I-5 U 7/10 -, juris, MedR 2011, 586), dass man bei einer Gesichtsfelduntersuchung 2009 oder 2010 ein aussagekräftiges (und reaktionspflichtiges) Untersuchungsergebnis bekommen hätte (GA S. 17, 8; S. 10; Anhörung Landgericht S. 3, Bl. 154/I). Da er dies auf seine konkreten Untersuchungsergebnisse stützt, sind seine Aussagen hierzu belastbarer als die allgemeinen Ausführungen der Schlichtungsgutachterin oder der Schlichtungsstelle zur Wahrscheinlic...

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