Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 23.05.2007; Aktenzeichen (575) 34 Js 402/07 (55/07)) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2007 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten am 8. März 2007 wegen gemeinschaftlich schweren Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Berlin am 23. Mai 2007 nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte der Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben war. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
Bei einem Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO führt die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts lediglich zur Prüfung von Verfahrenshindernissen, während das Fehlen der Voraussetzungen für den Erlass des Prozessurteils mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden muss. Letztere setzt voraus, dass der Revisionsführer gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die für die Beurteilung des Mangels maßgeblichen Umstände umfassend und vollständig mitteilt, im Rahmen der Rüge des Fehlens einer ordnungsgemäßen Ladung sämtliche hierfür maßgeblichen Umstände [vgl. OLG Stuttgart Justiz 2006, 235; OLG Hamm NStZ-RR 2005, 114; BayObLG NStZ-RR 2001, 374; OLG Karlsruhe VRS 90, 438 (439); Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Rdn. 48; Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl., Rdn. 100; Brunner in KMR, StPO, Rdn. 51; Frisch in SK, StPO, Rdn. 68; jeweils zu § 329 StPO]. Nur wenn die Revisionsschrift diesen Anforderungen gerecht wird, kann das Revisionsgericht prüfen, ob der gerügte Verfahrensfehler vorliegt, und im Wege des Freibeweises feststellen, ob die ihn tragenden Tatsachen vorliegen.
Vorliegend genügt die Revision diesen Anforderungen und auch die ungenaue Bezeichnung der Rüge als solche materiellen Rechts nimmt ihr nicht die Eigenschaft, Verfahrensrüge zu sein.
Allerdings erweist sich die mit ihr vorgebrachte Beanstandung, dem Verwerfungsurteil mangele es an dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Ladung des Angeklagten, weil dieser nicht über seine gerichtsbekannte polnische Anschrift, sondern durch öffentliche Zustellung geladen worden war, als unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer öffentlichen Zustellung lagen vor. Diese ist stets statthaft, wenn die Ladung zur Hauptverhandlung dem Angeklagten schon vorher zugestellt worden war und die neuerliche Zustellung nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden kann (§ 40 Abs. 2 StPO). Vorliegend ist der Angeklagte zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht wirksam über die Justizvollzugsanstalt geladen worden, weil er sich seinerzeit in Untersuchungshaft befand. Dies war mit seiner Entlassung nicht mehr möglich. Er verfügte im Inland über keine ladungsfähige Anschrift. Da jedoch einmal eine wirksame Zustellung erfolgen konnte, erwartet der Gesetzgeber, dass der Angeklagte sich um den weiteren Fortgang des Verfahrens kümmert und Vorsorge trifft, dass ihn weitere Zustellungen erreichen können [vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 48]. Dies gilt auch für denjenigen, der von Anfang an seinen Wohnsitz im Ausland hat und nach Einlegung der Berufung dorthin zurückgekehrt ist [vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 40 Rdn. 3]. Endlich steht der öffentlichen Zustellung der Ladung auch nicht entgegen, dass der Angeklagte in der Untersuchungshaftanstalt geladen wurde, vielmehr hätte der Angeklagte seinen (Pflicht-)Verteidiger nach § 145a Abs. 2 Satz 1 StPO bevollmächtigen oder auf andere Weise Zustellungen im Inland ermöglichen müssen [vgl. OLG Frankfurt aaO S. 49].
Da der Angeklagte weitergehende Beanstandungen nicht geltend macht, kommt es weder darauf an, ob die Zustellungsvollmacht des früheren Wahlverteidigers einer öffentlichen Zustellung entgegenstand, weil sich dessen Mandatsniederlegung nicht den Akten entnehmen ließ [vgl. KG, Beschluss vom 26. September 2003 - 5 Ws 495/03 -], noch darauf, ob die Anordnung des Strafkammervorsitzenden, die öffentliche Ladung an der Gerichtstafel des Amtsgerichts auszuhängen, den Anforderungen nach § 40 Abs. 1 StPO genügt. Vielmehr war die Revision als unbegründet zu verwerfen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Fundstellen