Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 16.08.2017; Aktenzeichen 104 O 60/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 16.8.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 104 O 60/17 - geändert, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 3.8.2017 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Urteil ist eine einstweilige Verfügung bestätigt worden, welche die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) verpflichtet, die von ihr angemietete Fläche im Einkaufscenter der Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) zu betreiben, und ihr einen Räumungsverkauf in Gestalt eines Totalausverkaufs untersagt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung macht die Beklagte geltend:

Das LG habe den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör und ein faires und rechtsstaatliches Verfahren verletzt, indem ihre Schutzschriften widerrechtlich nicht beachtet worden seien, der Antrag der Beklagten vom 10.8.2017 auf Einstellung der Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht beschieden, die einstweilige Verfügung ohne entsprechenden Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt und die im Termin übergebene eidesstattliche Versicherung inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen worden sei.

Das LG habe übersehen, dass es an einer Willenserklärung der Beklagten zum Abschluss eines Verlängerungsvertrages fehle. Es habe bereits an entsprechendem Erklärungsbewusstsein der Beklagten gefehlt. Auch aus Sicht eines objektiven Dritten habe die Beklagte keine Vertragsverlängerung gewollt. Am 23./28.12.2015 und 2./.3.2.2016 sei angesichts des ausstehenden Mietvertrages mit "Z" weder das Fertigstellungsdatum gemäß Ziffer 2.1 des Anschlussmietvertrages i. V. m. Ziffer 3.1 AMB noch die Befristung des Ursprungsmietvertrages geändert worden, sondern ganz bewusst der Beklagten die Möglichkeit eröffnet worden, sich mit Ablauf des 1.5.2017 vom Vertragsverhältnis zu lösen. Die Annahme des Landgericht, bei der Verlängerung der Rücktrittsfrist für das Anschlussmietverhältnis seien die Auswirkungen auf das Ursprungsmietverhältnis nicht thematisiert und wohl auch übersehen worden, sei aktenwidrig und eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör. Nachdem die Beklagte eine Verschiebung des Baubeginns auf den 1.1.2017 bei einer Ausgleichszahlung von 700.000 EUR abgelehnt und Fertigstellungsfristen unter Kündigungsandrohung gesetzt hatte, habe die Klägerin nicht annehmen können, die Beklagte wolle ihr die Fristverlängerung nunmehr "schenken". Die Beklagte habe - auch im Hinblick auf siebenstellige Kosten für ein Herunter- und Wiederhochfahren des Warenhausbetriebes - ersichtlich lediglich den Ablauf der von ihr gesetzten Fristen abgewartet, um anschließend das Nachfolgemietverhältnis zu kündigen wie u. a. mit Schreiben vom 30.8.2016, 8.10.2016 und 6.1.2017, E-Mail vom 7.2.2017 und - wie durch eidesstattliche Versicherung des Herrn H... glaubhaft gemacht - im Mai 2017 angedroht. Ersichtlich habe sie die laufenden Zahlungen als Nutzungsentschädigung gemäß § 546a BGB geleistet und an den Baubesprechungen teilgenommen, um ihre Verpflichtung aus dem Anschlussmietvertrag zu erfüllen, den Umbau zu begleiten und zu fördern. Von einer stillschweigenden Neubegründung eines Mietvertrages könne nach der Rechtsprechung allenfalls bei einer Nutzungsphase von mindestens fünf Monaten ohne sonstige Begleitumstände ausgegangen werden. Die Durchführung eines Räumungsverkaufs habe entgegen der Annahme des Landgerichts nicht im Interesse der Beklagten gelegen, sondern einer Schadensminimierung im Interesse der Klägerin gedient, die der Beklagten alle Schäden aufgrund der nicht rechtzeitigen Fertigstellung der Mietsache und der außerordentlichen Kündigung des Anschlussmietverhältnisses zu ersetzen habe.

Wollte man entgegen der Sach- und Rechtslage vom stillschweigenden Abschluss eines neuen Mietverhältnisses ausgehen, wäre es nach ergänzender Vertragsauslegung bis zum Ablauf der gesetzten Fertigstellungsfrist am 30.6.2017 befristet gewesen.

Ferner stützt sich die Beklagte auf weitere außerordentliche Kündigungen vom 24.8.2017, 31.8.2017 und 4.10.2017.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LG Berlin abzuändern, die einstweilige Verfügung des LG Berlin - Az. 104 O 60/17 - aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin rügt, die Berufung sei nicht in zulässiger Weise begründet. Die von der Beklagten behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften seien unerheblich. In der Sache macht sie geltend:

Die Betriebspflicht beurteile sich allein aus dem Mietvertrag vom 23.2./14.4.2000 samt Nachträgen. Die Beklagte erkläre ihre Kooperation während der Umbaumaßnahmen zu Unrecht mit (...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge