Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis einer Beschleunigungsverletzung der Wirbelsäule bei geringer Geschwindigkeitsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach ständiger Rechtsprechung des KG spricht kein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass durch eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 7 km/h eine HWS-Verletzung verursacht wird(KG KGReport Berlin 2000, 81 = NJW 2000, 877; KGReport Berlin 2003, 156 = NZV 2003, 281).

Eine Steilstellung der Wirbelsäule kann nicht nur Unfallfolge sein, sondern ist als unspezifisches Zeichen bei bis zu 40 % der Normalbevölkerung als Folge von Einwirkungen aus dem beruflichen oder privaten Alltag anzutreffen, so dass der Beweis einer Unfallfolge damit nicht geführt ist.

Eine Vernehmung des angeblich Geschädigten für die Unfallursächlichkeit der behaupteten Verletzung ist - mangels eigener Sachkunde - kein geeignetes Beweismittel.

Ist eine unfallbedingte Verletzung nicht bewiesen, begründet eine entgegenstehende Diagnose des behandelnden Arztes allein keinen Anspruch auf Ersatz der für die Arztbesuche aufgewandten Kosten (a.A.: 12. Zivilsenat, Urt. v. 27.2.2003 - 12 U 8408/00, KGReport Berlin 2003, 156 = NZV 2003, 281). Derartige Ansprüche sind von der Haftung für eine Körper- oder Gesundheitsverletzung abhängig (so auch OLG Hamm, Urt. v. 23.6.2003 - 6 U 99/02), die hier gerade nicht bewiesen worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 11.10.2004; Aktenzeichen 24 O 154/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11.10.2004 verkündete Urteil des LG Berlin - 24 O 154/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat der Senat gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO) abgesehen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das LG die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Dem Kläger stehen die als Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 18.8.1999 geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz von fortgezahlten Bezügen und Kosten für ärztliche Behandlungen aus gem. § 52 LBG übergegangenem Recht der beiden Polizeibeamten M.M. und F.S. gem. § 3 PflVG i.V.m. §§ 7, 17 StVG a.F. bzw. § 823 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten nicht zu.

Der Kläger hat den ihm gem. § 286 ZPO obliegenden Beweis für seine Behauptung, die beiden Beamten hätten bei dem Verkehrsunfall eine HWS-Distorsion als Primärverletzung erlitten, die ihre Dienstunfähigkeit und die Entstehung von Kosten für ihre ärztliche Behandlung zur Folge gehabt habe, nicht zur Überzeugung des Senats geführt.

Zutreffend hat bereits das LG angenommen, dass hier zugunsten des Klägers nicht der Beweis des ersten Anscheins dafür streitet, dass die beiden Polizeibeamten bei dem Auffahrunfall Verletzungen der Halswirbelsäule erlitten haben. Ein Anscheinsbeweis kommt nur zum Tragen, wenn ein Sachverhalt feststeht, bei dem nach der Lebenserfahrung typischerweise auf einen bestimmten Geschehensablauf oder eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn nach dem zur Frage der Geschwindigkeitsänderung des Polizeifahrzeuges überzeugenden Gutachten des Sachverständigen D. vom 27.8.2003, das insoweit vom Kläger mit der Berufung auch nicht angegriffen wird und dem sich der Senat insoweit anschließt, beträgt die anhand der Auswertung des in dem Polizeifahrzeug befindlichen Unfalldatenschreibers ermittelte, durch den Anstoß verursachte Geschwindigkeitsänderung des Polizeifahrzeuges aufgerundet lediglich 7 km/h. Bei einer derart geringen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von weniger als 15 km/h ist die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer durch den Aufprall hervorgerufenen Verletzung der Halswirbelsäule jedoch allenfalls sehr gering, so dass hier nach ständiger Rechtsprechung des KG kein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Unfall eine HWS-Verletzung hervorgerufen hat (vgl. etwa nur KG Urt. v. 21.10.1999 - 12 U 8303/95, KGReport Berlin 2000, 81 und NJW 2000, 877; KG Urt. v. 27.2.2003 - 12 U 8408/00, KGReport Berlin 2003, 156 und NZV 2003, 281m. zahlreichen w. N).

Soweit der Kläger allgemein gegen die Annahme, der Anstoß sei nur schwach gewesen, einwendet, auch die Zeugin A. als Fahrerin des auffahrenden Fahrzeuges habe über Schmerzen geklagt und zwar über Kopfschmerzen und Schmerzen in der rechten Hand, lässt dies keinen Rückschluss auf die Belastung der beiden Beamten in dem Polizeifahrzeug zu. Nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D. kann die Geschwindigkeitsänderung des auffahrenden Fahrzeuges erheblich von der Geschwindigkeitsänderung des gestoßenen Fahrzeuges abweichen. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige als Geschwindigkeitsänderung des auffahrenden VW Passat gerundet 13 km/h ermittelt. Auch war die Zeugin A. als Auffahrende ganz and...

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