Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 2; MPG §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 1, § 6; ProdHaftG §§ 1, 4
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.10.2021; Aktenzeichen 17 O 326/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.10.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 17 O 326/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das vorstehende Urteil des Landgerichts Berlin und das Urteil des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem beklagten Krankenhausträger Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Hüft-TEP-Operation rechts am 03.01.2017, gestützt auf die Behauptung fehlerhafter Behandlung unter Verletzung von Vorschriften des ProdHaftG und des MPG. Zusätzlich hat sie die Aufklärungsrüge erhoben. Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das mündlich und schriftlich durch den Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H... sachverständig beratene Landgericht hat die Klage - auch nach Anhörung der Klägerin zur Aufklärungsrüge - abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Berufung der Klägerin ist fristgerecht eingegangen und begründet worden. Sie macht geltend: Die Ausführungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen Dr. H...X seien widersprüchlich, weil er einerseits davon ausgehe, dass die Anteversion lege artis 30° betrage und sich insoweit auf die Behandlungsunterlagen der C... berufe, er andererseits feststelle, dass der dort im Bericht vom 17.04.2018 (Anlage K1, im Anlagenkonvolut I) festgehaltene Anteversionswinkel von ca. 30° ungenau beschrieben sei, weil sich der Winkel exakt am CT vom 06.04.2018 nachmessen lasse. Ferner seien dessen Angaben unzureichend, soweit er erklärt habe, dass er nicht verstehe, was Prof. Dr. P... in seinem Arztbericht vom 14.09.2021 (Blatt 140 f. Bd. I d.A.) unter einer "kombinierten Anteversion" gemeint habe. Nach ihrer Auffassung sei eindeutig, dass Prof. Dr. P... in dem Bericht ihre Beschwerden auf das Zusammenwirken der varischen Implantation der Prothese und der erhöhten Anteversion zurückgeführt habe. Da sich der Sachverständige Dr. H... zu keinem Zeitpunkt mit der varischen Implantation der Prothese auseinandergesetzt habe, müsse ergänzend Beweis erhoben werden, und zwar auch durch Vernehmung von Prof. Dr. P... als Zeuge. Darüber hinaus sei die Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. H... unvollständig, weil er die Herstellerangaben der Firma Z... mit eventuell zwingenden Vorgaben für die Einbringung der Prothese nicht gekannt habe, obwohl er diese hätte leicht ermitteln können. Sie selbst sei nicht in der Lage, diese Herstellerangaben zu beschaffen, weil die Firma Z... sie ihr nicht zur Verfügung stelle. Soweit der Sachverständige Dr. H... davon ausgehe, dass die Kombination der bei ihr eingesetzten Prothesenkomponenten verschiedener Hersteller unbedenklich sei, sei dies nicht nachvollziehbar. Sie habe im Schriftsatz vom 12.10.2021 (Blatt 143 ff. Bd. I d.A) ausreichend dargelegt, dass die unterschiedlichen Hersteller die Kombinationen der Produkte, hier Prothesenpfanne und Inlay aus dem Hause der Firma Z... einerseits und der Biolex Prothesenkopf von S... & N... andererseits, verböten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme es auf diese Vorgaben der Hersteller in den Gebrauchsanleitungen für die Bestimmung des medizinischen Standards an. Soweit das Landgericht meine, dass es sich bei der Zusammensetzung der Produkte um eine Sonderanfertigung handele, für welche kein Konformitätsbewertungsverfahren nach dem MPG durchzuführen sei, entspreche dies nicht dem Gesetz. Es sei auch nicht richtig, dass sie bezüglich der Kausalität beweisfällig geblieben sei. Denn die Kombination der Produkte habe nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (§ 6 MPG). Folglich sei es Sache der Beklagten zu beweisen, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn ihr eine Prothese implantiert worden wäre, die den regulatorischen Anforderungen genügt hätte. Auch habe das Landgericht nicht beachtet, dass der Sachverständige Dr. H... festgestellt habe, dass er keine Erklärung für ihre Beschwerden habe. Damit stehe fest, dass sich vorliegend unbekannte Risiken aufgrund des Off-Label-Use verwirklicht hätten. Des Weiteren habe das Landgericht es unterlassen, einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG zu erörtern. Der Anspruch sei gegeben, weil hierfür der Verdacht einer Gesundheitsgefährdung ausreiche. Sie halte auch an der Aufklärungsrüge fest. Denn dem Aufklärungsbogen sei nicht zu entnehmen, dass über postoperative Beschwerden in Form von Dauerschmerzen un...