Leitsatz (amtlich)

1. Zum Einfluss von im Vorfeld der Datenbeschaffung begangener Straftaten auf die Zulässigkeit einer Veröffentlichung (in Bezug auf den Geschädigten der Straftaten).

2. Zum Überwiegen des Informationsinteresses in einem solchen Fall, nachdem der Betroffene wegen der Berichterstattung ein öffentliches Amt (Landesminister) aufgegeben hat.

3. Der Rücktritt vom Ministeramt und das dadurch begründete Informationsinteresse als erledigendes Ereignis in einem solchen Fall.

4. Zum grundsätzlichen Verbot der wörtlichen Veröffentlichung privater E-Mails.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 21.09.2010; Aktenzeichen 27 O 685/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 21.9.2010 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 685/10 - geändert und neu gefasst.

Die einstweilige Verfügung des LG vom 2.9.2010 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Vorstand, untersagt wird, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen:

E-Mail vom 29.11.2002 von Frau G. an den Antragsteller: "..."

und/oder

E-Mail vom 28.10.1997 des Antragstellers an Frau G.: "..."

und/oder

E-Mail vom 25.6.2008 von Frau G. an den Antragsteller:

"..."

und/oder

E-Mail vom 21.4.2004 von Frau G. an den Antragsteller:

"..."

Soweit der Antragsgegnerin in der einstweiligen Verfügung untersagt worden ist, den Inhalt der E-Mails sinngemäß zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, wird festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.

Im Übrigen wird die einstweiligen Verfügung aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 1/10 und die Antragsgegnerin 9/10.

 

Gründe

(Ohne Tatbestand, §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO)

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der im Tenor aufgeführten E-Mails zu. Untersagt ist die Wiedergabe in direkter oder indirekter Rede. Soweit in der einstweiligen Verfügung die sinngemäße Wiedergabe untersagt worden ist, war auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Antrag des Antragstellers festzustellen, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Ein weitergehender Unterlassungsanspruch steht dem Antragsteller nicht zu. Insoweit hat die Berufung der Antragsgegnerin Erfolg.

I. Die Wiedergabe des Inhalts der zwischen dem Antragsteller und Frau G. (im Folgenden: "G.") gewechselten E-Mails in direkter oder indirekter Rede ist rechtswidrig. Die sinngemäße Wiedergabe war bis zum Rücktritt des Antragstellers vom Amt des Innenministers des Landes B. am 23.9.2010 rechtswidrig.

1. Über den Unterlassungsantrag ist aufgrund einer Abwägung des Rechts des Antragstellers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Antragsgegnerin auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2010, 2728 m.w.N.). Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre, vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass einem Betroffenen Äußerungen unterschoben werden, die er nicht getan hat (BVerfG, NJW 2011, 740, 742 m.w.N.). Besonderen Schutz genießen Briefe oder sonstige private Aufzeichnungen. Sie dürfen in der Regel nicht ohne Zustimmung des noch lebenden Verfassers veröffentlicht werden (BGHZ 13, 334, 341 - Leserbrief). Auch ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob rechtswidrig beschaffte oder erlangte Informationen veröffentlicht werden (BVerfG NJW 1984, 1741 - Wallraff; BGH NJW 1979, 647 - Telefongespräch; BGH NJW 1987, 2667 - BND-Interna). Wesentlicher Abwägungsfaktor ist das Gewicht des öffentlichen Informationsinteresses. Zu den Aufgaben der Medien gehört die öffentliche Berichterstattung über Straftaten sowie innerhalb der Gren...

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