Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.10.2004; Aktenzeichen 30 O 187/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.10.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 30 des LG Berlin - 30 O 187/04 - teilweiseabgeändert:
Auf die Widerklage werden die Kläger verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten 13.725,75 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Kläger und die Berufung des Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten beider Instanzen haben die Kläger je 47 % und der Beklagte 6 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Kläger haben in erster Instanz eine anwaltliche Pflichtverletzung des Beklagten darin gesehen, dass dieser ggü. dem Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nicht mit verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Besteuerungsgrundlage des § 23 EStG (in Bezug auf eine Rückwirkung wegen Verlängerung der Haltefrist durch Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 und eine Verletzung von Art. 3 GG wegen eines strukturellen Erhebungsdefizits) begründet und ferner, dass er nicht zur Anrufung des FG des Landes Brandenburg gem. § 69 Abs. 3 FGO geraten habe. Jedenfalls hätte das Finanzamt bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen. Es bestehe eine Übereinkunft zwischen FG und der Steuerverwaltung, dass bei anhängigen Verfahren nach § 69 FGO bis zu einer gerichtlichen Entscheidung keine Vollziehung erfolge.
Zudem hätte unter Hinweis auf die verfassungsrechtlichen Zweifel und die Verfügung der OFD Frankfurt/M. vom 6.7.2001 (OFD Frankfurt/M. v. 6.7.2001, DStR 2001, 1571) ein Ruhen des Einspruchsverfahrens gegen den Steuerbescheid nebst Vollziehungsaussetzung erreicht werden können. Den Klägern hätte auch ein Beschwerdeverfahren zum BFH offen gestanden, jedenfalls dort wäre in ihrem Sinne entschieden worden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13.10.2004, den Prozessbevollmächtigten der Kläger von Anwalt zu Anwalt zugestellt, Widerklage auf Zahlung von 31.685,59 EUR Anwaltshonorar aus der Bearbeitung verschiedener Angelegenheiten und auf Freistellung des Beklagten von Kosten außergerichtlicher anwaltlicher Rechtsverteidigung i.H.v. 43.439 EUR eingereicht. Im Verhandlungstermin vor dem LG am 28.10.2004 stellte der Klägervertreter nach Erörterung einen Abweisungsantrag zur Widerklage, und nachfolgend wurde ein Antrag auf "Gewährung einer Erklärungsfrist auf die Erörterungen im heutigen Termin" protokolliert. Während der Protokollierung sprach der Beisitzer die Worte "und zur Widerklage" aus. Das LG hat mit am Schluss der Sitzung verkündeten Urteil u.a. der Widerklage über 31.685,59 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.10.2004 stattgegeben. Ein Protokollberichtigungsantrag der Kläger vom 3.11.2004 dahin, dass es heißen müsse "Klägervertreter bittet um Gewährung einer Erklärungsfrist auf die Erörterungen im heutigen Termin und zur Widerklage" ist mit Beschl. v. 11.1.2005 zurückgewiesen worden.
Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung vor: Der Beklagte sei beauftragt gewesen, alle rechtlich gebotenen Mittel einzusetzen, um gegen den Steuerbescheid vorzugehen, hilfsweise, die Vollstreckung so lange wie möglich hinauszuschieben, um die Steuerschuld aus Aktiengewinnen bezahlen zu können.
Der Beklagte hätte bei Einspruchseinlegung gegen den Steuerbescheid auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung im Hinblick auf das Urteil des BVerfG vom 27.6.1991 betreffend ein gleichheitswidriges, strukturelles Vollzugshindernis hinweisen müssen; auch im Schrifttum seien Bedenken in dieser Richtung erhoben worden. Ferner hätte er den Antrag auf AdV (§ 361 AO) mit dieser Begründung, ggf. verbunden mit dem Angebot einer Sicherheitsleistung, stellen müssen. Zudem hätte er einen Antrag nach § 258 AO auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung wegen Unbilligkeit stellen müssen. Zwischen dem Antrag nach § 361 AO und der Entscheidung des Finanzamts sowie bis zum Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung wäre nach dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO), zu § 361 Tz. 3.1 und 3.2 (BStBl. I 1998, 630, 801) und nach Abschn. 5 Abs. 4 S. 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung (VollstrA) (BStBl. I 1980, 114, geändert BStBl. I 1992, 283) eine Vollstreckung im vorliegenden Fall nicht erfolgt, so dass unabhängig von dem mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens allein dessen Betreiben den Schaden verhindert hätte. Hätte das Finanzamt e...