Leitsatz (amtlich)
1. Der Wert unentgeltlicher Fremdnutzung ist nach dem Vermögensgesetz dem Verfügungsberechtigten zugewiesen.
2. Der Verfügungsberechtigte handelt nicht pflichtwidrig, wenn er Dritten den Vermögenswert unentgeltlich zur Verfügung stellt.
Weder § 7 Abs. 7 VermG noch § 3 Abs. 3 S. 1 VermG geben unter dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung einen Anspruch auf Herausgabe (schuldhaft) nicht gezogener Nutzungen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen 13 O 636/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.12.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 13 O 636/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um Nutzungen eines mittlerweile restituierten Grundstücks im früheren Ostteil von Berlin. Die Klägerin hat im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über vereinnahmte Entgelte und Auskehrung des sich nach der Auskunft voraussichtlich ergebenden Guthabens verlangt. Am 15.12.2005 hat das LG Berlin festgestellt, dass sich der Auskunftsanspruch in der Hauptsache erledigt hat; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der begehrte Anspruch auf Zahlung vom Beklagten nicht gezogener Nutzungen könne weder auf § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG (analog) noch auf § 3 Abs. 3 Satz 6 Halbs. 2 VermG i.V.m. § 678 BGB gestützt werden.
Gegen das ihr am 21.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.1.2006 - einem Montag - Berufung eingelegt und mit am 21.3.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Anspruch weiter. Die Klägerin rügt im Wesentlichen, das erstinstanzliche Gericht habe einen Anspruch aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG i.V.m. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB übersehen. Sie beantragt unter teilweise Abänderung des am 15.12.2005 verkündeten Urteils des LG Berlin - 13 O 636/04 - den Beklagten zu verurteilen, an sie und Frau J G 289.534,37 EUR nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
B.I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat zu Recht einen angeblich der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 289.534,37 EUR abgewiesen. Die gegen das Urteil vorgebrachten Angriffe führen nicht dazu, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern. Denn die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch weder auf § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG (1) noch auf § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG i.V.m. §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 BGB (2) stützen.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG keinen Anspruch auf Schadensersatz für Entgelte, die dem Beklagten als Verfügungsberechtigten ab dem 1. Juli 1994 aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zugestanden haben könnten.
a) Nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG hat der Berechtigte gegen den Verfügungsberechtigten nur einen Anspruch auf Herausgabe der bis zur Rückübertragung des Eigentums gezogenen Nutzungen, die dem Verfügungsberechtigten ab dem 1. Juli 1994 aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zustehen. Solche Nutzungen liegen unstreitig nicht vor.
b) Einen Anspruch auf hier allein im Streit befindliche (ggf. schuldhaft) nicht gezogene Nutzungen gibt § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung gewährt § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG weder einen Ersatzanspruch wegen Unterlassens von Nutzungen (BGH v. 14.12.2001 - V ZR 493/99 - VIZ 2002, 214, MDR 2002, 509 = BGHReport 2002, 270 = ZOV 2002, 89; v. 12.4.1996 - V ZR 310/94, BGHZ 132, 306 [311] = MDR 1996, 1110 = VIZ 1996, 458 = NJW 1996, 2030) noch auf Herausgabe (schuldhaft) nicht gezogener Nutzungen (BGH v. 23.4.1999 - V ZR 142/98, BGHZ 141, 232 [236] = MDR 1999, 1058 = VIZ 1999, 483 = NJW 1999, 2116). § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG kann auf andere als dort genannte Gebrauchsvorteile, etwa auf durch Eigen- oder Fremdnutzung erlangte Vorteile, nicht entsprechend angewendet werden. Denn unabhängig vom Fehlen einer ausfüllungsbedürftigen Lücke erfordert die Interessenlage keine Ausweitung der Norm auf eine Eigennutzung des Vermögenswertes oder den hier gegebenen Fall unentgeltlicher Zurverfügungstellung des Vermögenswertes an einen Dritten. Bis zur Rückübertragung ist der Verfügungsberechtigte Eigentümer. Aus § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG folgt, dass die Nutzung des Vermögensgegenstandes grundsätzlich allein dem Verfügungsberechtigten zusteht (BGH v. 28.10.2005 - V ZR 92/05; v. 23.4.1999 - V ZR 142/98, BGHZ 141, 232 [235] = MDR 1999, 1058; v. 20.11.1997 - III ZR 39/97, BGHZ 137, 183 [186]). Dies gilt auch dann, wenn dem Verfügungsberechtigten etwa durch eine Eigennutzung möglicherweise andere Ausgaben erspart bleiben (BGH v. 23.4.1999 - V Z...