Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungs- und Beweislast bei HWS-Verletzung
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 17.09.2001; Aktenzeichen 24 O 288/00) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.9.2001 verkündete Urteil des LG Berlin - 24 O 288/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 17.9.2001 verkündete Urteil des LG, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens u.a. vor, der vom LG beauftrage Sachverständige für Unfallrekonstruktion Dipl.-Ing. ... habe das Unfallgeschehen in wesentlichen Details unzutreffend festgestellt. Er habe dadurch seinen Berechnungen falsche Annahmen/Ansätze zugrunde gelegt. Tatsächlich sei der Anstoß mit einem Winkel von 70 °-75 ° und zwar an der A-Säule des Fiat erfolgt. Hieraus ergebe sich eine wesentlich höhere Geschwindigkeitsänderung als die vom Sachverständigen ... festgestellten 2-3 km/h.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 25.10.1995 zu zahlen; festzustellen, dass die Beklagten - die Beklagte zu 1) im Rahmen der Deckungssumme des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages - verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 24.10.1995 als Gesamtschuldner zu ersetzen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverstän-digen Dipl.-Ing. ... (Unfallrekonstruktionsgutachten) und Prof. Dr. ... (fachorthopädisches Gutachten). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf diese Gutachten nebst Ergänzungen verwiesen. Der Sachverständige ... hat sein Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.9.2005 erläutert. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Allerdings rügt die Klägerin zu Recht, dass das LG nicht allein auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen für Unfallrekonstruktionen, wonach die kollisions-bedingte Geschwindigkeitsänderung des klägerischen Fahrzeugs zwischen 2 und 3 km/h gelegen hat, die Klage hätte abweisen dürfen, ohne zuvor ergänzende Gutachten, insb. eines Mediziners, eingeholt zu haben (KG v. 12.2.2004 - 12 U 219/02, KGReport Berlin 2004, 523 = NZV 2004, 460 = VRS 104, 422).
Der BGH hat in seinem erst nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen Urt. v. 28.1.2003 (BGH, Urt. v. 28.1.2003 - VI ZR 139/02, MDR 2003, 566 = BGHReport 2003, 487) die Annahme einer sog. "Harmlosigkeitsgrenze" d.h. einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, bei deren Vorliegen eine Verletzung der HWS generell auszuschließen sei, abgelehnt (BGH v. 28.1.2003 - VI ZR 139/02, MDR 2003, 566 = BGHReport 2003, 487 = NJW 2003, 1116 f. = VersR 2003, 474, m. zustimmender Anm. Jaeger, VersR 2003, 476).
2. Im Ergebnis bleibt die Berufung der Klägerin jedoch erfolglos. Auch nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme hat die Klägerin nicht zu beweisen vermocht, dass sie bei dem streitgegenständlichen Unfall die von ihr behaupteten Verletzungen erlitten hat.
a) Für die Frage, ob die Klägerin bei dem streitgegenständlichen Unfall die von ihr geklagten Verletzungen erlitten hat, gilt das Beweismaß des § 286 ZPO, denn es ist zwischen den Parteien streitig, ob die Klägerin bei dem Unfall überhaupt verletzt wurde (BGH v. 28.1.2003 - VI ZR 139/02, MDR 2003, 566 = BGHReport 2003, 487 = NJW 2003, 1116 = VersR 2003, 474; KG v. 21.10.1999 - 12 U 8303/95, KGReport Berlin 2000, 81 = NJW 2000, 877 [878], m.w.N., st. Rspr.). Auch der BGH (BGH v. 28.1.2003 - VI ZR 139/02, MDR 2003, 566 = BGHReport 2003, 487 = NJW 2003, 1116 = VersR 2003, 474 [475]) geht davon aus, dass für die Feststellung, ob der Anspruchsteller bei dem Unfall eine HWS-Distorsion erlitten hat, der Maßstab des § 286 ZPO gilt.
b) Ein Anscheinsbeweis für das Vorliegen einer unfallbedingten Verletzung der HWS greift zugunsten der Klägerin nicht ein. Dieser könnte nur dann angenommen werden, wenn bei einem Heckaufprall eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von über 15 km/h bewiesen wäre (KG v. 21.10.1999 - 12 U 8303/95, KGReport Berlin 2000, 81 = NJW 2000, 877; Revision nicht angenommen: BGH, Beschl. v. 23.5.2000 - VI ZR 378/99; KG NZV 2003, 281, st. Rspr.). Ein Heckaufprall liegt aber nicht vor. Auch hat die Klägerin auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen ... vom 21.11.2003, dem der Senat folgt, weil...