Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 05.07.2016; Aktenzeichen (311 Cs) 3023 Js 2034/16 (97/16))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Juli 2016 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Zugleich hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, vor Ablauf von neun Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen das Urteil hat der Angeklagte - zunächst allgemein formuliert - Rechtsmittel eingelegt, das er sodann als Revision bezeichnet hat. Mit ihr beanstandet er die Verletzung von Verfahrensrecht und erhebt die allgemeine Sachrüge. Auf die Sachrüge ist das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Der Schuldspruch hat Bestand.

Der nach der ursprünglichen fristgemäßen Rechtsmitteleinlegung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) gegenüber dem Amtsgericht Tiergarten erklärte Übergang zur (Sprung-) Revision (§ 335 StPO) ist zulässig (vgl. Meyer-Goßner/Schmidt, StPO 59. Auflage, § 335 Rn. 10; BGH NJW 1995, 2367).

1. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs ist frei von Rechtsfehlern.

a) Zu den im Zusammenhang mit der Messung der Atem- und Blutalkoholkonzentration erhobenen Verfahrensrügen hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt:

"Soweit es die Atemalkoholprobe betrifft, kann deren Verwertbarkeit dahinstehen, weil das Urteil jedenfalls hierauf nicht beruht. Die Feststellungen, dass der Angeklagte ein Kraftfahrzeug geführt hat, obwohl eine Blutalkoholkonzentration von 3,12 Promille auf ihn einwirkte, beruhen allein auf der entnommenen Blutprobe.

Hinsichtlich der Rüge der Unverwertbarkeit des Ergebnisses der Blutprobe ist diese nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt. So legt die Revision nicht die durch die polizeilichen Zeugen gefertigte Dokumentation zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Blutentnahme und die Einwilligung dar (vgl. KG NStZ-RR 2015, 25 f.).

Sie wäre im Übrigen auch unbegründet. Denn ob ein Angeklagter belehrt und in die Blutentnahme eingewilligt hat, ist Gegenstand der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (vgl. KG a.a.O.). Dies gilt auch für die Auslegung der Äußerung des Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten, "Machen Sie, Sie wissen, was gemacht wird", in der das Amtsgericht die Einwilligung gesehen hat. Soweit es deren Wirksamkeit betrifft, muss der Angeklagte nicht die strafrechtlichen Folgen einer Blutalkoholmessung, sondern nur den mit der Blutentnahme verbundenen körperlichen Eingriff und dessen Risiken überblicken können; er muss noch nicht einmal geschäftsfähig sein (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG NStZ 2014, 55; Thüringer Oberlandesgericht VRS 122, 114 ff.; KG a.a.O.). Dass der sachverständig beratene Tatrichter davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte trotz einer erheblichen Alkoholisierung in der Lage war, die Risiken des Eingriffs zu überblicken, begegnet keinen Bedenken."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Sie werden auch nicht durch die Replik der Revision vom 24. Oktober 2016 entkräftet. Aus der von ihr aufgegriffenen Senatsentscheidung vom 9. Oktober 2014 (NStZ-RR 2015, 25) ergibt sich, dass die Beanstandung der Verletzung des § 81a StPO - in aller Regel - der Erhebung der Verfahrensrüge bedarf, die den "Wortlaut der durch die polizeilichen Zeugen gefertigten Dokumentation zur Belehrung über die Freiwilligkeit der Blutentnahme und die Einwilligung" wiedergeben muss. Dies versäumt die Revision. Ein Ausnahmefall, bei dem sich die Verfahrenstatsachen aus der Urteilsurkunde ergeben, liegt hier nicht vor. Dass, wie die Revision meint, die Dokumentation "nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen ist", begründet gerade das Erfordernis einer Verfahrensrüge. Der nun erhobene Einwand, die Dokumentation sei gar nicht erfolgt, hätte als Negativtatsache innerhalb der Revisionsbegründungsfrist vorgetragen werden müssen. Im Falle einer fristgemäßen und im übrigen zulässigen Beanstandung hätte der Senat diese Behauptung einer Verfahrenstatsache auf ihre Richtigkeit überprüft und festgestellt, dass sie unwahr ist.

b) Das Amtsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Tat im Zustand nur verminderter Schuldfähigkeit begangen hat.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bereits bei einem Alkoholisierungsgrad ab 3 Promille Schuldunfähigkeit regelmäßig nicht ausgeschlossen (vgl. BGH StV 1986, 148). Zwar führt eine solche Blutalkoholkonzentratio...

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