Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob der Mieter von Ladenräumen im Erdgeschoss eines Einkaufszentrums ein Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 1 BGB oder § 313 Abs. 2 S. 3 BGB hat, wenn der Vermieter abweichend von der ursprünglichen Konzeption ca. 80 % der Einzelhandelsflächen im Obergeschoss in Büros umbaut.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen 2 O 357/21)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.01.2022 verkündete Urteil des

Landgerichts Berlin -2 O 357/21- abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien mit Mietvertrag vom 06./13.07.2017 nebst 1. Nachtrag vom 10./16.01.2018 und

2. Nachtrag vom 13.0/17.08.2020 begründete Mietverhältnis über die Ladenfläche 1.07 im Erdgeschoss mit 174 m2 sowie die Lagerfläche 2.52 mit 20 m2 im 1. OG inkl. anteiliger Gang- und Allgemeinflächen des Einkaufszentrums -- Berlin ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt als Vermieterin Feststellung, dass das mit der Beklagten im Juli 2017 zum Betrieb eines Wäschegeschäfts begründete Mietverhältnis über Ladenräume im Erdgeschoss des - nach Herstellung im Sommer 2018 eröffneten - Einkaufszentrums X. ungekündigt fortbesteht. Die Beklagte hat unter Berufung auf Schriftformmängel unter dem 01.07.2021 die Kündigung zum 31.12.2021 erklärt (Anl. K 2) und sodann im Schriftsatz vom 10.01.2022 (Anl. B 3) im einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien (2 O 455/21, betreffend eine vermeintliche Betriebspflicht der Beklagten) hilfsweise eine außerordentliche Kündigung zum 15.02.2022 ausgesprochen, weil die Klägerin das ursprünglich für Einzelhandelsgeschäfte vorgesehene 1. OG des Centers bereits zu 80 % in Büroräume umgebaut habe.

Das Landgericht hat die Feststellungsklage mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2022 ergangenen Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, abgewiesen und ausgeführt, dass sowohl die fristlose Kündigung (nach § 313 BGB) als auch die ordentliche Kündigung (nach §§ 550, 580 a BGB) wirksam seien.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

1) Das Landgericht habe das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Der Aspekt der fristlosen Kündigung sei von der Beklagten erst mit Schriftsatz vom 24.01.2022 in den Prozess eingeführt und vom Landgericht mit keinem Wort thematisiert worden. Das Landgericht habe insbesondere deshalb die im Termin am 25.01.2022 beantragte Erklärungsfrist gewähren und zumindest darauf hinweisen müssen, dass es nicht beabsichtige, dies zu tun.

Zum Schriftsatz vom 24.01.2022 werde nunmehr wie folgt erwidert:

a) Ein Schriftformmangel liege nicht wegen Nichtvereinbarung eines Flächenberechnungsmaßstabs vor. In Teil B Ziff. 1.2 MV (Achsmaß) sei ein solcher auch vereinbart worden.

b) Ein Formmangel wegen unzureichender Beschreibung der von der Beklagten zu erbringenden Ausstattungsqualität liege nicht vor, wäre jedoch jedenfalls durch den Nachtrag geheilt.

c) Die außerordentliche Kündigung vom 10.01.2022 sei unwirksam.

aa) Der Umbau im 1. OG habe im März 2020 begonnen und sei im Oktober 2020 abgeschlossen worden (Zeugnis Centermanager Y). Die Kündigung sei schon wegen zu langen Zuwartens nach § 314 Abs. 3 BGB unwirksam. Maßgeblich sei die Kenntnis der Beklagten vom Beginn der Umbauarbeiten.

bb) Das Einkaufszentrum sei zwar zweigeschossig geplant worden, jedoch habe es gegenüber der Beklagten keine vertragliche Zusage gegeben. Die Klägerin habe nicht mit einem bestimmten Centerkonzept, sondern nur mit allgemeinen Aussagen geworben.

Die Beifügung des Plans 8.05a beim 1. Nachtrag (vom 10./16.01.2018) habe keine Vereinbarung über die Center-Gestaltung dargestellt, sondern nur einer Lagebeschreibung des von der Beklagten hinzugemieteten Lagerraums im 1. OG gedient.

Bestritten werde, dass es der Beklagten bei Anmietung auf eine Zweigeschossigkeit des Centers angekommen sei. Zudem sei das 1. OG weiterhin ein Einkaufzentrum (mit den Geschäften DM, McPaper, Woolworth, H & M, Tedi, Nany Nails Spa und Ernsting's Family).

Auch habe sich die Klägerin in Teil B Ziff. 17.2 MV eine Änderung des Mietzwecks anderer Mietobjekte im Center vorbehalten.

Die Besucherfrequenz sei im EG vor und nach dem Umbau ohnehin schon höher gewesen als im 1. OG und habe sich im EG nach Durchführung der Umbauten im 1. OG noch einmal erhöht. Bestritten werde, dass der Umbau zu einem reduzierten Publikumsanreiz geführt habe. Im Gegenteil habe der teilweise Umbau zu einer "Konzentrationswirkung" geführt, welche den Mietern zugute komme.

Dass das Center deutlich weniger Kunden angelockt habe, als von den Parteien erhofft, werde bestritten. Das sei r...

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