Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktienrechtliche Unzulässigkeit einer durch Mehrheitsbeschluss bewilligten Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) aus Neuaktien
Leitsatz (amtlich)
Eine durch Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft dem Vorstand erteilte Ermächtigung, durch Ausschöpfung weiteren genehmigten Kapitals unter Bezugsrechtsausschluss zusätzliche Aktien zu schaffen und diese zur Erfüllung einer im Rahmen des Börsengangs bereits eingeräumten oder noch einzuräumenden Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) dem übernehmenden Bankenkonsortium zu demselben Preis zu überlassen, der im Bookbuilding-Verfahren als Emissionspreis festgestellt worden ist (Greenshoe), ist nach § 255 Abs. 2 AktG anfechtbar.
Normenkette
AktG § 255 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 90 O 17/99) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.6.1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 90 des LG Berlin geändert:
Der in der Hauptversammlung der Beklagten v. 30.12.1998 unter Tagesordnungspunkt 1b) und 1c) gefasste Beschluss über die Einfügung einer neuen Ziff. 3 in § 3 der Satzung der Beklagten mit nachfolgendem Inhalt:
„Der Vorstand wird zur Erfüllung der dem Bankenkonsortium im Rahmen des Börsengangs der Gesellschaft eingeräumten bzw. einzuräumenden Mehrzuteilungsoption ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Gesamtkapital um bis zu 975.000 DM durch Ausgabe von bis zu 195.000 neuer, auf den Inhaber lautender Stammaktien ohne Nennwert (Stückaktien) gegen Bareinlage bis zum 30.9.1999 einmalig oder mehrmals zu erhöhen (genehmigtes Kapital II). Das Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen. Über die Ausgabe der neuen Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe entscheidet der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates.”
sowie die Ermächtigung des Aufsichtsrats, die Fassung des § 3 Ziff. 1 der Satzung nach vollständiger oder teilweiser Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals entsprechend der jeweiligen Ausnutzung des genehmigten Kapitals und, falls das genehmigte Kapital bis zum 30.9.1999 nicht vollständig ausgenutzt sein sollte, nach Ablauf der Ermächtigungsfrist anzupassen,
wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.d. jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte darf Sicherheit auch durch schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts leisten.
Der Wert der Beschwer wird auf 150.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die aktienrechtliche Zulässigkeit einer durch Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung dem Vorstand erteilten Ermächtigung, zur Erfüllung einer im Rahmen des Börsengangs dem übernehmenden Bankenkonsortium bereits eingeräumten oder noch einzuräumenden Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) durch Ausschöpfung weiteren genehmigten Kapitals weitere Neuaktien zu schaffen und zu demselben Preis auszugeben, der im Bookbuilding-Verfahren als Emissionspreis der regulären Neuaktien ermittelt worden ist.
Die Beklagte ist ein seit dem 29.1.1999 am Neuen Markt börsennotiertes Medienunternehmen. Gegenstand der Erstplatzierung waren sowohl Altaktien aus Aktionärsbesitz als auch neue Aktien aus einer von der Hauptversammlung am 9.10.1998 beschlossenen Barkapitalerhöhung i.H.v. 4 Mio. DM. Gegenstand des vorliegenden Anfechtungsverfahrens ist die Ermächtigung des Vorstands zu einer weiteren Kapitalerhöhung (genehmigtes Kapital II), die bereits auf der Hauptversammlung vom 9.10.1998 beschlossen war, vom Registergericht aber nicht eingetragen worden ist. Zur Behebung der registergerichtlichen Bedenken hat die Hauptversammlung der Beklagten am 30.12.1998 unter Aufhebung des früheren Beschlusses gegen die Stimmen der Klägerin beschlossen:
„Der Vorstand wird zur Erfüllung der dem Bankenkonsortium im Rahmen des Börsengangs der Gesellschaft eingeräumten bzw. einzuräumenden Mehrzuteilungsoption ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Gesamtkapital um bis zu 975.000 DM durch Ausgabe von bis zu 195.000 neuer, auf den Inhaber laufender Stammaktien ohne Nennwert (Stückaktien) gegen Bareinlage bis zum 30.9.1999 einmalig oder mehrmals zu erhöhen (genehmigtes Kapital II). Das Bezugsrecht der Aktionäre ist ausgeschlossen. Über die Ausgabe der neuen Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe entscheidet der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates.”
Der Beschluss ist am 5.1.1999 in das Handelsregister eingetragen worden (B 1 = Bd. I Bl. 50, 51 d.A.). Mit Beschl. v. 9.2.1999 (B 2 = Bd. I, Bl. 52 d.A.) hat der Vorstand der Beklagten mit Zustimmung des Aufsichtsrats von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, indem er das Grundkapital der Gesellschaft um weitere 975.000 DM erhöht und die 195.000 neuen Aktien, die eben...