Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.06.2020; Aktenzeichen 101 O 54/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 03. Juni 2020 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 101 des Landgerichts Berlin - 101 O 54/19 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Dieses und das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung Sicherheit in Höhe von 25.000,00 EUR und im Übrigen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (nachfolgend auch nur: "LGU") der Klage stattgegeben. Mit ihrer Berufung möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Die Beklagte rügt im Wesentlichen:

Die Klage sei unzulässig, da der Kläger seine Ansprüche rechtsmissbräuchlich verfolge. Er habe die Beklagte und deren deutsche Tochtergesellschaft grundlos mehrfach abgemahnt und mehrfach verklagt.

Der Unterlassungsantrag sei insoweit unbegründet, als die Beklagte verurteilt worden sei, E-Mails an Verbraucher zu senden, die sich von Beginn an "lediglich bei dem wöchentlichen E-Mail-Verteiler angemeldet haben", denn insoweit fehle es an einer Begehungsgefahr.

Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das am 03. Juni 2020 vom Landgericht Berlin zum Az. 101 O 54/19 verkündete Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in zweiter Instanz eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2022 Bezug genommen.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A. Die Berufung ist gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, mit einer Begründung versehen und auch im Übrigen zulässig.

B. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn der gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF (vgl. § 15a Abs. 1 UWG) anspruchsberechtigte Kläger kann sich in dem geltend gemachten Umfang auf Unterlassungsansprüche berufen und hat Anspruch auf die vom Landgericht zuerkannte Kostenpauschale.

1. Die Klage ist zulässig.

1.1. Das Landgericht Berlin ist international gem. Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, § 14 Abs. 2 UWG international und örtlich (siehe zu Letzterem indes § 513 Abs. 2 ZPO) zuständig.

1.2. Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs folgt dies aus aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung (aF). Hiergegen erhebt die Beklagte mit der Berufung zu Recht keine Einwände mehr, sodass auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 5 f. LGU verwiesen werden kann.

1.3. Die Klage ist nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

1.3.1. Ein solcher Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. Juli 2019 - I ZR 149/18 -, Rn. 33, juris - Umwelthilfe; Versäumnisurteil vom 26. April 2018 - I ZR 248/16 -, Rn. 21, juris - Abmahnaktion II). Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 67/98 -, Rn. 20, juris - Neu in Bielefeld I). Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (Versäumnisurteil vom 26. April 2018 - I ZR 248/16 -, Rn. 21, juris - Abmahnaktion II).

1.3.2. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich unter anderem daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere rechtlich unabhängige Konzernunternehmen als verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. November 2005 - I ZR 300/02 -, Rn. 16 f., juris - MEGA SALE; Urteil vom 20. Dezember 2001 - I ZR 215/98 -, Rn. 28, juris- Scanner-Werbung). Die Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs, durch die die im Interesse eines möglichst lückenlosen Rechtsschutzes in Kauf genommene Möglichkeit einer Mehrfachverfolgung eingeschränkt wird, erfordert eine sorg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge