Leitsatz (amtlich)
Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen dürfen in der Überschuldungsbilanz auch dann unberücksichtigt bleiben, wenn der betreffende Gesellschafter, der einen Rangrücktritt gegenüber sämtlichen außenstehenden Gesellschaftsgläubigern erklärt, sich einen vorrangigen Zugriff auf einen etwaigen Liquidationsüberschuss vor seinen Mitgesellschaftern vorbehält (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 8.1.2001 - II ZR 88/89, GmbHR 1991, 62 = AG 1991, 137 = MDR 1991, 509).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 05.07.2004; Aktenzeichen 14 O 198/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5.7.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 14 des LG Berlin geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz von 82.884,80 EUR, die dieser als Vorstand der Insolvenzschuldnerin zwischen dem 7.8. und 19.10.2001 an Gläubiger der Gesellschaft, insb. das Finanzamt und Sozialversicherungsträger gezahlt hat. Der Kläger behauptet unter Bezugnahme auf den Jahresabschluss der AG zum 31.12.2000, die Gesellschaft sei auch bei Berücksichtigung aller stillen Reserven bereits Ende 2000 mit 238.460,15 DM überschuldet gewesen.
Der Beklagte bestreitet, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Zahlungen überschuldet gewesen sei. Er ist der Ansicht, die im Jahresabschluss 2000 zugunsten der stillen Gesellschafterin IBB ausgewiesenen Darlehen müssten unberücksichtigt bleiben, da diese im Beteiligungsvertrag vom 30.11.2000 erklärt habe, dass sie ihren Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben in einem gerichtlichen Insolvenz- oder Vergleichsverfahren im Range nach den übrigen Insolvenzgläubigern geltend machen werde, jedoch vor den Forderungen der anderen Gesellschafter.
Demgegenüber beruft sich der Kläger darauf, dass nach der Entscheidung des BGH - II ZR 88/99 - vom 8.1.2001 (BGH v. 8.1.2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 = MDR 2001, 401 = BGHReport 2001, 197 m. Anm. Bormann = AG 2001, 303 = GmbHR 2001, 190 m. Anm. Felleisen) eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Überschuldungsbilanz nur dann unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn der betreffende Gesellschafter einen Rangrücktritt in dem Sinne erklärt, dass er nicht nur erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger, sondern auch nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt werden wolle.
Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat den Beklagten mit Urteil vom 5.7.2004 verurteilt, an den Kläger 82.884,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.5.2004 zu zahlen.
Gegen das ihm am 23.7.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 23.8.2004 Berufung eingelegt und diese am 23.9.2004 begründet.
Der Beklagte meint, das LG habe zu Unrecht ein Zahlungsverbot wegen Überschuldung angenommen, da die mit einem Rangrücktritt versehenen Gesellschafterdarlehen der IBB nicht hätten passiviert werden müssen; außerdem habe bis zur Zahlungsverweigerung und Kündigung der IBB eine positive Fortführungsprognose bestanden. Der Beklagte behauptet ferner, er habe sich seinerzeit bei der Beurteilung der Überschuldungssituation auf den Prüfbericht eines Wirtschaftsprüfers vom 17.8.2001 gestützt, in dem bestätigt werde, dass die Gesellschaft zwar bilanziell, nicht jedoch rechtlich überschuldet sei (Anlage B 1, S. 32), und müsse sich daher keine Sorgfaltspflichtverletzung vorhalten lassen.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung des Beklagten wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist daher zulässig.
Die Berufung ist begründet. Der Beklagte muss dem Kläger keinen Ersatz für die geleisteten Zahlungen leisten (§ 92 Abs. 3, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Denn die Insolvenzschuldnerin war zum Zeitpunkt der Zahlungen weder zahlungsunfähig noch überschuldet.
Die vom Kläger behauptete rechnerische Überschuldung entfällt, wenn das im Jahresabschluss vom 31.12.2000 (Bd. I, Bl. 24, 36) mit 684.540,50 DM ausgewiesene eigenkapitalersetzende Darlehen der IBB unberücksichtigt bleibt. Das Berufungsgericht teilt die überzeugend begründete Ansicht des Beklagten, dass die ihrem wesentlichen Inhalt nach oben wiedergegebene Rangrücktrittserklärung der IBB ausreicht, um deren Forderung in der Überschuldungsbilanz unberücksichtigt lassen zu können.
Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass der Wortlaut der oben zitierten Entscheidung des BGH (BGH v. 8.1.2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 = MDR...