Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 289/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 4. Dezember 2018 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin - 16 O 289/18 - teilweise geändert:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, weitergehend untersagt, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt die Bezeichnung "... Stress" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, sofern dies geschieht wie aus der Abbildung der Verpackung gemäß Anlage A 5 ersichtlich:

((Abbildungen))

2. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 4. Dezember 2018 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin - 16 O 289/18 - wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

A. Gemäß § 540 Abs. 2, § 313a ZPO von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

B. Die Berufung des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Unterlassung, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt die Bezeichnung "... Stress" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen, sofern dies geschieht wie aus der Abbildung der Verpackung gemäß Anlage A 5 ersichtlich. Der Anspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, §§ 3, § 3a UWG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden: HCVO).

1. Bei der angegriffenen Bezeichnung des Nahrungsergänzungsmittels "... Stress" handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO.

a) "Gesundheitsbezogene Angabe" ist danach jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Für die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Beurteilung ist es nach Erwägungsgrund 16 Satz 3 HCVO entscheidend, in welchem Sinne der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel versteht. Es gilt dabei kein statistischer, sondern ein normativer Maßstab. Nach ihm sind die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden gehalten, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen, Erwägungsgrund 16 Satz 5 und 6 der HCVO. (vgl. BGH GRUR 2014, 500 - Praebiotik, Rn. 17; BGH GRUR 2014, 1013 - Original Bach-Blüten, Rn. 24)

b) Aus Sicht dieses Verbrauchers vermittelt die beanstandete Bezeichnung einen Zusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt "... Stress" und Stressbekämpfung.

Eine gesundheitsbezogene Angabe liegt auch dann vor, wenn nach dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und vorhandene Kenntnisse geprägt wird, ein Zusammenhang zwischen dem Nahrungsergänzungsmittel und dem Gesundheitszustand des Konsumenten suggeriert wird (vgl. BGH GRUR 2014, 500 - Praebiotik, Rn. 18).

Die Bezeichnung auf der in der Anlage A 5 wiedergegebenen Umverpackung des Nahrungsergänzungsmittels lautet: "...* STRESS".

Die von der Antragsgegnerin angesprochenen Verkehrskreise entnehmen der Beifügung des × zu dem Zeichen "...", dass dieses Zeichen als Marke geschützt ist, und verstehen es als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen (vgl. BGH GRUR 2009, 888 - THERMOROLL, Rn. 15; BGH GRUR 2014, 500 - Praebiotik, Rn. 30; KG GRUR-RR 2013, 397). Vor diesem Hintergrund dient der Zusatz "STRESS" aus Sicht des Verkehrs dazu, dieses Produkt des Markenherstellers von anderen Produkten aus seinem Sortiment zu unterscheiden, und zwar im vorliegenden Fall durch die Angabe der Zweckbestimmung des Produkts. Der Zusatz vermittelt dem Verbraucher, dass das Nahrungsergänzungsmittel der Stressminderung und der Stressvermeidung dient.

Im Übrigen ist es sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in der Praxis der Produktbezeichnungen im breiten Sektor von Nahrungs- bis zu Arzneimitteln auch üblich, die Zweckbestimmung des Mittels allein durch die zu bekämpfenden Symptome oder Krankheiten anzugeben. Hustenbonbons und Hustensaft oder Schmerzmittel sollen von Husten oder Schmerzen befreien, ebenso wie z.B. "ASPIRIN* MIGRÄNE" bei Migräne helfen soll.

2. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei den beanstandeten Aussagen um spezifische Aussagen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO handelt und nicht um Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne des Art. 10 Abs. 3 HCVO.

Wie bereits ausgeführt, schreibt die Antra...

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