Leitsatz (amtlich)
1. Eine unwiderrufliche verdrängende Vollmacht des Gesellschafters einer GmbH hinsichtlich seines Informationsrechts nach GmbHG § 51a ist in der Regel unwirksam.
2. Der Gesellschafter kann grundsätzlich auch global verlangen, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu nehmen. Er muß nicht sein Verlangen auf eine Angelegenheit oder mehrere Angelegenheiten der Gesellschaft konkretisieren.
3. Der Gesellschafter einer Komplementär-GmbH ist auch berechtigt, in die Bücher und Schriften der KG einzusehen.
4. Länger zurückliegende Angelegenheiten scheiden nicht schon wegen bloßen Zeitablaufs aus dem Gegenstand des Informationsrechtes aus. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn sie durch den Zeitablauf jeden aktuellen Bezug zur Gesellschaft verloren haben, ihre Kenntnis weder für den jetzigen Stand der Gesellschaft eine Bedeutung hat, noch dazu geeignet ist, in Zukunft ähnlichen Problemen besser zu begegnen. Dabei kann nicht allein auf die Aufbewahrungsfrist von 6 bzw 10 Jahren für Schriften und Bücher nach HGB § 257 Abs 4 und 5 oder auf die Verjährungsfrist von 5 Jahren nach GmbHG § 43 Abs 4 abgestellt werden.
5. Mit der Zustimmung zu der Feststellung der Jahresbilanz und der Verteilung des sich daraus ergebenden Reingewinns sowie der Entlastung der Geschäftsführung verzichtet der Gesellschafter nicht generell auf sein Informationsrecht für den zurückliegenden Zeitraum.
Orientierungssatz
Vergleiche zu Leitsatz 1 BGH, 1976-10-11, II ZR 119/75, WM 4 1976, 1247; so auch zu Leitsatz 2 OLG Köln, 1986-02-18, 22 W 56/85, WM IV 1986, 761; so auch zu Leitsatz 3 OLG Hamm, 1986-02-06, 8 W 52/85, WM IV 1986, 740; vergleiche zu Leitsatz 5 BGH, 1976-05-31, II ZR 185/74, WM 4 1976, 736.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß der Kammer für Handelssachen 98 des Landgerichts Berlin vom 17. September 1987 geändert:
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller Einsicht in alle ihre Bücher und Schriften sowie die der F. KG der Jahre 1981 bis einschließlich November 1987 mit Ausnahme der Jahresabschlüsse (Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen) für die Jahre 1981 bis 1985 zu gestatten.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden bei einem Geschäftswert von 10.000,– DM der Antragsgegnerin auferlegt. Sie hat dem Antragsteller die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz zu erstatten. Im übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Gesellschafter der Antragsgegnerin mit einem Geschäftsanteil von 49 v.H. des Stammkapitals. Der eine der beiden Geschäftsführer der Antragsgegnerin, D., sein Bruder, hält die restlichen Geschäftsanteile von 51 v.H..Die Antragsgegnerin ist die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der … KG., einer Publikumsgesellschaft, an der der Antragsteller auch als Kommanditist beteiligt ist.
Anläßlich der Übernahme der Mitschuld für ein vom Antragsteller aufgenommenes Bankdarlehen vereinbarten die beiden Brüder am 21. Juli 1981, daß die Verwaltungsrechte aus den Geschäftsanteilen des Antragstellers an der Antragsgegnerin und zwei anderen Gesellschaften von ihrem Vater als Treuhänder ausgeübt werden sollten. In dem privatschriftlichen Treuhandvertrag vom 11. Dezember 1981 bevollmächtigte der Antragsteller als Treugeber daraufhin seinen Vater als Treuhänder unwiderruflich für die Dauer des Bestehens des Treuhandverhältnisses, das Stimmrecht nach seiner Weisung auszuüben. Für die Zeit des Bestehens der Vollmacht sollte nur der Treuhänder und nicht der Treugeber zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt sein. Nach § 3 des Vertrages war der Treugeber verpflichtet, „Kontrollrechte der Gesellschaft nach Weisung des Treugebers auszuüben”. Nach § 5 endete das Treuhandverhältnis nach 5 Jahren. Innerhalb dieses Zeitraumes sollten beide Brüder gemeinsam einen Dritten benennen, der die Treuhand nach den Bedingungen dieses Vertrages solange ausübt, wie der Geschäftsführer der Antragsgegnerin für den Bankkredit seines Bruders in Anspruch genommen werden kann. Bei Nichteinigung über die Person des neuen Treuhänders sollte dieser auf Antrag eines der beiden Parteien vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer in Berlin benannt werden.
Nach Auslaufen des Treuhandvertrages mit seinem Vater begehrte der Antragsteller vergeblich von der Antragsgegnerin, in die Geschäftsunterlagen von ihr und der … KG Einsicht zu nehmen.
Er hat vorgetragen: Er sei nur unvollständig über die Angelegenheiten der beiden Gesellschaften unterrichtet worden. Er habe Zweifel an der Richtigkeit der Jahresabschlüsse, insbesondere wegen der hohen Aufwendungen für Geschäftsführung, Löhne und Gehälter, Bewirtung, Reisen usw. Ihm als Gesellschafter der Antragsgegnerin stehe auch das Recht auf Einsicht in die Unterlagen der KG zu. Der Antragsteller, der dafür als Anfangstermin das Jahr 1981 genannt hat, hat beantragt, zu beschließen:
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller Einsicht in alle...