Leitsatz (amtlich)

1. Ein Werkunternehmer oder Bauträger hat seinen Verzug nicht zu vertreten, soweit er durch schwerwiegende, unvorhersehbare und unabwendbare Umstände an der rechtzeitigen Erfüllung gehindert war.

2. Ist es umstritten, ob die Auswirkungen der Corona-Pandemie einen Werkunternehmer in diesem Sinne vom Verzug entlasten, so hat er darzulegen, wie sich ein von ihm nicht zu verantwortender Umstand im Einzelnen auf den Herstellungsprozess ausgewirkt und ihn verzögert hat ("bauablaufbezogene Darstellung").

3. Ist ein Bauträger in Verzug mit der Übergabe einer Wohneinheit, die der Erwerber nicht selbst beziehen, sondern vermieten will, so besteht der Schaden des Erwerbers in den Vermietungserlösen, die ihm verzugsbedingt entgangen sind.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 19.10.2021; Aktenzeichen 30 O 197/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 19. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und fortan auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Bauträgervertrag in Anspruch.

Mit notariellem Vertrag vom 9. März 2017 verpflichtete sich die damals abweichend firmierende Beklagte eine Wohneinheit (Wohnung Nr. 11 gemäß Aufteilungsplan) im Gebäude F Straße 11, Berlin für die Kläger herzustellen und an sie zu übereignen (Anlage K 1, im Folgenden: Bauträgervertrag oder BTV). Dieser Vertrag enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

  • Die Wohnung sollte eine Wohnfläche von ca. 105 qm aufweisen, § 1.1 BTV.
  • Der Kaufpreis beträgt 505.000,00 EUR, § 4.1 BTV.
  • Bei einer Abweichung der Wohnfläche um mehr als 2 % von der Sollgröße ist der Kaufpreis anzupassen, § 3.2 BTV.
  • Die Wohnung war bis zum 30. Juni 2018 bezugsfertig herzustellen, § 3.4 BTV.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Die Beklagte übergab die Wohnung den Klägern am 6. Juli 2020.

Im Zeitraum von Juli 2018 bis einschließlich Juni 2020 wohnten die Kläger in einer Mietwohnung und zahlten insgesamt 21.755,00 EUR Miete. Nachdem die Beklagte ihnen die Wohnung Nr. 11 übergeben hatte, zogen sie in diese nicht ein, sondern vermieteten sie.

Die Kläger finanzierten den Erwerb der Wohnung. Da die Beklagte bedingt durch den verzögerten Baufortschritt einzelne Kaufpreisraten erst verspätet fällig stellte, konnten die Kläger die entsprechenden Darlehensraten erst verspätet bei ihrer Bank abrufen. Dadurch entstanden ihnen zusätzliche Bereitstellungszinsen von insgesamt 7.054,70 EUR.

Die Kläger behaupten, die Wohnung weise eine Fläche von lediglich 98,60 qm auf.

Mit ihrer Klage nehmen die Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 59.590,67 EUR und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Anspruch. Der Schadensersatz setzt sich wie folgt zusammen:

  • Miete, die die Kläger von Juli 2018 bis Juni 2020 für die von ihnen bewohnte Mietwohnung zahlten: 21.755,00 EUR
  • Bereitstellungszinsen: 7.054,70 EUR
  • Kaufpreisminderung wegen geringerer Wohnfläche: 30.780,97 EUR

Die Beklagte meint, die verspätete Fertigstellung der Wohnung könne ihr zumindest teilweise nicht angelastet werden. Zwischen März 2020 und Juli 2020 hätten als Folge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie Arbeiter aus diversen Ländern nicht nach Deutschland einreisen können, zudem konnten zahlreiche Baumaterialien nicht zeitgerecht geliefert werden. Die Kläger könnten die Miete, die sie für die von ihnen von Juli 2018 bis Juni 2020 bewohnte Wohnung zahlten, nicht als Schaden geltend machen, da sie in die gekaufte Wohnung gar nicht eingezogen seien, sondern sie vermieten.

Das Landgericht hat die Beklagte zunächst mit Versäumnisurteil vom 15. Juni 2021 bis auf eine Auslassung gemäß dem Klageantrag verurteilt. Am 19. Oktober 2021 hat das Landgericht zwei Urteile erlassen. Mit dem ersten hat es das Versäumnisurteil ergänzt, sodass die Beklagte nunmehr vollständig gemäß dem Klageantrag verurteilt ist. Mit dem zweiten Urteil vom 19. Oktober 2021 hat das Landgericht das so ergänzte Versäumnisurteil aufrechterhalten. In dem zweiten Urteil hat das Landgericht das Bestreiten der tatsächlichen Wohnfläche der Wohnung durch die Beklagte als verspätet zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der Begründung des Landgerichts wird auf die Urteile des Landgerichts vom 19. Oktober 2021 verwiesen.

Gegen diese Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Oktober 2...

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