Leitsatz (amtlich)
Wer die linke Wagentür zum Aussteigen öffnen will (§ 14 StVO), muss zunächst nach hinten beobachten; reicht der Rückblick nicht weit genug, darf er die Tür nur langsam spaltweise öffnen (bis 10 cm) und weiter erst dann, wenn mit Gewissheit niemand kommt.
Kommt es infolge Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht beim Öffnen der Fahrertür zur Kollision mit einem sich von hinten nähernden Fahrzeug, welches zu den rechts geparkten Fahrzeugen einen zu geringen Seitenabstand (30 cm oder weniger) eingehalten hat, ist der Schaden hälftig zu teilen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 25.05.2005; Aktenzeichen 24 O 564/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 25.5.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 564/03 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte zu 1) wird unter teilweiser Abänderung des Versäumnisurteils der Zivilkammer 24 des LG Berlin vom 28.1.2004 verurteilt, an die Klägerin 180,41 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.7.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) ein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht gem. § 398 BGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 839 BGB, Art. 34 GG, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 PflVG i.H.v. 50 % des ihr bei dem Verkehrsunfall vom 13.2.2003 entstandenen Schadens zu.
Der der Klägerin zustehende Anspruch verringert sich jedoch auf Grund der vom Beklagten zu 1) vorprozessual erklärten Aufrechnung mit dem am Einsatzfahrzeug entstandenen Schaden von dem der Beklagte zu 1) 50 % ersetzt verlangen kann.
1. Die Berechtigung der Klägerin Schadensersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall wegen der Beschädigung des Pkw Rover mit dem amtlichen Kennzeichen B. geltend zu machen ergibt sich jedenfalls aus der von der Klägerin in erster Instanz als Anlage K 6 überreichten Abtretungserklärung.
Zwar ist das LG in dem angefochtenen Urteil zutreffend davon ausgegangen, dass die genannte Urkunde, deren Echtheit die Beklagten nicht bestritten haben, gem. § 416 ZPO lediglich den Beweis dafür erbringt, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden sind. Allerdings ist die Urkunde im Übrigen gem. § 286 ZPO frei zu würdigen.
Auf Grund des als Anlage K 5 vorgelegten Kaufvertrages ist davon auszugehen, dass der bei dem Unfall beschädigte Pkw Rover von der Verkäuferin M.H. an den Ehemann der Klägerin, den Zeugen H.W.M. verkauft und übereignet worden ist. Für ein Eigentum des H.W.M. an dem Pkw Rover spricht zudem die Vermutung des § 1006 BGB, denn er war zum Unfallzeitpunkt Fahrer und damit im Besitz des Fahrzeugs.
Anhaltspunkte dafür, dass die anwaltlich vertretene Klägerin und H.W.M. die vorgelegte Abtretungserklärung nicht ernsthaft gewollt hätten, also ein Scheingeschäft beabsichtigt war, obwohl damit der angestrebte Zweck, nämlich die Aktivlegitimation der Klägerin nachzuweisen, gerade nicht hätte erreicht werden können, sind nicht ersichtlich. Im Übrigen liegt die Beweislast für ein Scheingeschäft nach allgemeinen Grundsätzen bei demjenigen der sich darauf beruft (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 117 Rz. 9) hier also bei den Beklagten, die insoweit keinen Beweis angetreten haben.
2. Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) sind gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ausgeschlossen, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt des Unfalls in Ausübung seines Dienstes befand, so dass an seiner Stelle das L.B. haftet.
Der Zeuge E. hat glaubhaft bekundet, dass der Beklagte zu 2) und er mit dem Polizeifahrzeug von einer Einsatzfahrt zurückgekommen waren und das Fahrzeug in der Nähe der Polizeiwache abgestellt hatten um zurück ins Revier zu gehen, als sich der Unfall ereignete.
3. Der Beklagte zu 1) haftet der Klägerin dem Grunde nach, weil der Beklagte zu 2) als Fahrer des Einsatzfahrzeugs die beim Ein- und Aussteigen nach § 14 StVO erforderliche besondere Sorgfalt missachtet hat. Wer die linke Wagentür öffnen will, muss zunächst nach hinten beobachten; reicht der Rückblick nicht weit genug, darf er die Tür nur langsam spaltweise öffnen (bis 10 cm), weiter erst, wenn mit Gewissheit niemand kommt. Türöffnen ohne vorherigen Rückblick ist unzulässig, auch unnötig langes offen lassen der Wagentür zur Fahrbahn ist unzulässig (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 14 StVO Rz. 6, m.w.N.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) die Fahrertür des Einsatzfahrzeugs unmittelbar vor dem herannahenden Pkw Rover geöffnet hat, so dass sie deutlich über 20 cm in die Fahrbahn hineinragte.
Der Sachverständige R. hat hierzu ausgeführt, ...