Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme der Einlagensicherung in der Insolvenz des Beteiligungsunternehmens
Leitsatz (redaktionell)
1.Durch Aussonderungsrechte (§ 47 InsO) gesicherte Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften (§ 1 Abs. 4 EAEG) sind nicht entschädigungsfähig im Sinn von §§ 3, 4 EAEG.
2. Der Anspruch auf Entschädigung (§§ 3, 4 EAEG) ist grundsätzlich nicht fällig im Sinne von § 5 Abs. 4 EAEG, wenn die abschließende Prüfung der angemeldeten Ansprüche durch die Entschädigungseinrichtung wegen der Problematik, ob und inwieweit Aussonderungsrechte des Anlegers bestehen, gehindert ist.
3. Der Anspruch auf Entschädigung (§§ 3, 4 EAEG) ist nicht um die dem Institut nach dem Vertrag geschuldete Verwaltungsgebühr (Bestandsprovision) zu kürzen, wenn das Institut die eingezahlten Gelder im Wege eines „Schneeballsystems” für Zahlungen an Altanleger und zur Deckung von Gebühren und Provisionen verwendet hat.
Normenkette
InsO § 47; EAEG § 1 Abs. 4, §§ 3-4, 5 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 05. November 2009 – 9 O 254/09 – teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 143,84 EUR zu zahlen. Insoweit bleibt der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger – im Urkundenprozess klagender Anleger der im Jahr 2005 in Insolvenz gefallenen Phoenix Kapitaldienst GmbH mit Sitz in Frankfurt a. M. – nimmt die Beklagte nach Erhalt einer Teilentschädigung auf Zahlung einer weiteren Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz vom 16. Juli 1998 (EAEG, BGBl. I, S. 1842) in Anspruch.
Der Kläger beteiligte sich an dem Phoenix Managed Account (PMA) der Phoenix Kapitaldienst GmbH (P. GmbH), einem Wertpapierhandelsunternehmen im Sinne des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes (EAEG). Das EAEG setzte im Jahr 1998 die Richtlinien 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 135 vom 31.05.1994, S. 5-14) und 97/9/EG über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. L 84 vom 26.03.1997, S. 22-31) in nationales Recht um. Mit dem Gesetz zur Änderung des EAEG vom 25. Juni 2009 (BGBl. I, S. 1528) setzte die Bundesrepublik die Richtlinie 2009/14/EG vom 11. März 2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 86 vom 13. März 2009, S. 3 ff.) in nationales Recht um. Am 12. Juli 2010 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Anlegerentschädigungsrichtlinie 97/9/EG (2010/01999 – COD) vor.
Die P. GmbH war seit 1976 auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt tätig. Seit 1992 bot sie die Beteiligung an dem PMA an, einer von ihr verwalteten Anlage in Derivaten.
Nach dem vorgegebenen Geschäftsmodell sollten die Anleger sich an einer Kollektivanlage (sog. Finanzpool) beteiligen und die P. GmbH die Mittel für Options- und Termingeschäfte an verschiedenen Waren- und Devisenmärkten verwenden. Die P. GmbH führte die Wertpapiergeschäfte über verschiedene Brokerhäuser aus und unterhielt dazu bei diesen Gemeinschaftstreuhandkonten für das PMA. Der einzelne Anleger war mit seinem Kapital an der Entwicklung des Gemeinschaftsvermögens beteiligt und sollte, der Höhe nach abhängig vom Wert seines Kapitalanteils zu Beginn der jeweiligen Abrechnungsperiode, am Handelserfolg partizipieren (Ziffer 7 der AGB PMA). Die P. GmbH erhob ein variables Agio bei Zahlung der Ersteinlage, ferner eine Verwaltungsgebühr (Bestandsprovision) von 0,5 % pro Monat vom jeweiligen Vermögensstand des PMA (Ziffer 10 der AGB). Ihr standen Teile der Transaktionskosten für jeden vorgenommenen Handel sowie die Zinsen zu, welche die Broker für die auf den Treuhandkonten liegenden Gelder zahlten, sowie ein Anspruch in Höhe von 30 % der erzielten Handelsgewinne ihrer Anleger pro Abrechnungsperiode. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Ausgestaltung wird auf die eingereichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen des PMA Bezug genommen.
Ab dem 1. Januar 1998 wurde die P. GmbH durch das 6. Kreditwesen-Änderungsgesetz Wertpapierhandelsbank im Sinne des § 1 Abs. 3 d KWG und der Finanzdienstleistungsaufsicht unterstellt. Sie verfügte über eine fiktiv...