Leitsatz (amtlich)
Zu den Urteilsanforderungen, wenn das Tatgericht trotz Bewährungsbruchs und ernstlicher Vordelinquenz auf Geldstrafe erkennt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 02.02.2021; Aktenzeichen (581) 252 Js 7731/18 Ns (39/19)) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Februar 2021 wird verworfen.
Die Landeskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt, zugleich hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und Ratenzahlung bewilligt. Das Amtsgericht hatte sich die Gewissheit verschafft, dass der alkoholisierte Angeklagte einen Busfahrer mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hatte, wodurch der Geschädigte bis zum nächsten Tag Schmerzen hatte. Auch hatte der Angeklagte zur Überzeugung des Amtsgerichts bei der Tat einen gefälschten italienischen Führerschein und eine gefälschte italienische "ID-Card" bei sich.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das Rechtsmittel ist erfolglos geblieben, das Landgericht hat die Tagessatzhöhe auf 3 Euro und auch die Höhe der bewilligten Raten herabgesetzt. Es hat u.a. ausgeführt, der - zu dieser Zeit eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßende - Angeklagte sei zwar mehrfach vorbestraft und er habe die Taten während laufender Bewährung begangen, was erheblich gegen ihn spreche. Allerdings müsse u.a. auch gesehen werden, dass er bisher nicht mit Gewaltdelikten aufgefallen sei, sondern mit Diebstählen und Erschleichen von Leistungen; meist sei es zu Ahndungen durch Strafbefehle gekommen "ohne die erforderliche Warnfunktion einer Gerichtsverhandlung".
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft Berlin. Die Revisionsführerin macht geltend, die Einzelgeldstrafen und die Gesamtgeldstrafe sei bei dem hier vielfach zu Geldstrafen und zuletzt zu einer Bewährungsstrafe vorverurteilten Angeklagten rechtsfehlerhaft begründet, zumal die neuerlichen Straftaten während laufender Bewährung begangen worden seien. Es seien nicht alle wesentlichen Umstände in die Strafzumessung eingeflossen.
Das Rechtsmittel bleibt erfolglos. Die Strafkammer hat die Rechtsfolgen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt.
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH StraFo 2017, 242). Nur in diesem Rahmen kann eine "Verletzung des Gesetzes" nach § 337 Abs. 1 StPO vorliegen. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (vgl. für viele BGHSt 34, 345). Dabei ist der Tatrichter lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 336 m.w.N.; Senat, Urteil vom 18. März 2021 - 3 Ss 7/21 -).
2. Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die konkrete Bemessung der vom Landgericht festgesetzten Einzelgeldstrafen revisionsrechtlicher Überprüfung ebenso stand wie die Bemessung der Gesamtgeldstrafe. Die beanstandete Strafzumessung ist nicht in sich fehlerhaft. Sie geht nicht von unzutreffenden Tatsachen aus und verstößt auch nicht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke.
a) Das Landgericht hat, was auch von der Staatsanwaltschaft nicht substantiell in Frage gestellt wird, alle wesentlichen Strafzumessungsgesichtspunkte erkannt und erörtert. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung ausdrücklich gewürdigt, dass der erst 2014 nach Deutschland eingereiste Angeklagte bereits vielfach verurteilt werden musste, nämlich wegen Diebstahls und wegen Erschleichens von Leistungen zu Geldstrafen. Zuletzt, so weist es das Urteil aus, ist der Angeklagte wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden, wobei die Strafvollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Bei der zugrundeliegenden Tat hatte der An...