Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewährung trotz Vorverurteilungen
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Tatrichter kommt bei der nach § 56 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Legal- und Sozialprognose ein weiter Bewertungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen hat. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn unzutreffende Maßstäbe angewandt, naheliegende Umstände übersehen oder festgestellte Umstände fehlerhaft gewichtet wurden.
2. Die Bewilligung von Bewährung kann trotz erheblicher Vorverurteilungen frei von Rechtsfehlern sein, wenn sich der Tatrichter mit der Delinquenzhistorie eingehend auseinandersetzt und substanziell darlegt, warum mit weiterer Straffälligkeit nicht zu rechnen ist.
Normenkette
StGB § 56 Abs. 1; StPO § 267
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.10.2019; Aktenzeichen (575) 232 AR 7/17 Ns (41/18)) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. Oktober 2019 wird verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 29. November 2016 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und nach § 69a StGB eine isolierte Sperrfrist von zwei Jahren festgesetzt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin durch Urteil vom 8. November 2017 die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen durch die Staatsanwaltschaft eingelegte Revision hat am 26. März 2018 zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs durch das Kammergericht und zur Zurückverweisung an das Landgericht geführt. Dieses hat am 28. Oktober 2019 erneut entschieden und die Vollstreckung der Strafe wiederum zur Bewährung ausgesetzt; zugleich ist eine zwölfmonatige Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt worden. Hiergegen wendet sich abermals die Staatsanwaltschaft mit der auf die Sachrüge gestützten und (wirksam) auf die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung beschränkten Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
Der durch die Staatsanwaltschaft beanstandete Ausspruch über die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ist frei von Rechtsfehlern.
1. Dem Tatrichter kommt bei der nach § 56 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Legal- und Sozialprognose ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2019, 336; Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2015 - 3 Ss 107/15 [juris]; Fischer, StGB 67. Aufl., § 56 Rn. 11). Das Revisionsgericht kann nur in Ausnahmefällen eingreifen, wenn nämlich unzutreffende Maßstäbe angewandt, naheliegende Umstände übersehen oder festgestellte Umstände fehlerhaft gewichtet wurden (vgl. Senat aaO; Fischer, aaO).
Allerdings unterliegt der Tatrichter der Pflicht, seine Entscheidung zur Strafaussetzung zur Bewährung zu begründen. Er hat seine Prüfung durch eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen (vgl. BGHSt 29, 324; Fischer, aaO, § 56 Rn. 23). Einer erschöpfenden Darstellung aller Erwägungen bedarf es hierbei nicht, wohl aber sind die wesentlichen Umstände darzulegen (vgl. BGH StV 1994, 126; Fischer, aaO, § 56 Rn. 23). Bei einem, wie hier, schon mehrfach und wiederholt wegen einschlägiger Delikte vorbestraften Täter, der die Tat zudem während laufender Bewährung begangen hat, bestehen erhöhte Anforderungen. Namentlich müssen spezifische Umstände dargelegt werden, die erwarten lassen, dass sich der Angeklagte in Zukunft straffrei führen wird. Der Tatrichter muss sich dabei mit der Tat und den Vortaten auseinandersetzen, die gegenwärtigen Lebensverhältnisse des Angeklagten darlegen und begründen, auf welchen geänderten Umständen sich die Erwartung künftig straffreien Lebens stützt (vgl. Senat VRS 133, 133).
2. All diese Voraussetzungen erfüllt das angefochtene Urteil. Das Landgericht hat seine positive Legal- und Sozialprognose ausführlich und nachvollziehbar begründet. Die auf die Sachrüge veranlasste Rechtsprüfung ergibt nicht, dass das Landgericht dabei unzutreffende Maßstäbe angewandt, naheliegende Umstände übersehen oder festgestellte Umstände fehlerhaft gewichtet hat.
Zunächst hat das Landgericht bei seiner Bewertung keinesfalls die Augen vor der Delinquenzhistorie des Angeklagten verschlossen. Die Urteilsgründe legen vielmehr dar, dass der Angeklagte im Oktober 2013 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, im Februar 2016 wegen fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort sowie im Juni 2016 erneut wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt werden musste und dass sich die neuerliche Tat als Bruch der 2016 gewährten Bewährung darstellt. Die "geradezu impertine...