Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.04.2016; Aktenzeichen 21 O 331/15)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 6.4.2016 verkündete Urteil des LG Berlin - 21 O 331/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. [1] Die Kläger schlossen am 18.2.2008 Darlehensverträge mit der Beklagten, die zum 31.5.2010 vorzeitig abgelöst wurden, und erklärten am 11.2.2015 den Widerruf. Ihre Klage auf Rückzahlung von vereinnahmten Vorfälligkeitsentgelten und Bearbeitungsgebühren ist vom LG wegen Verwirkung abgewiesen worden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

[2] Mit der Berufung verfolgen die Kläger die Klage weiter und machen geltend:

Für eine Verwirkung fehle es am Umstandsmoment. Regelmäßig könne kein Vertrauen des Verpflichteten entstehen, wenn er weiß oder davon ausgehen muss, dass die andere Seite von dem unbefristet fortbestehenden Widerrufsrecht nichts weiß, einerlei, ob der Verbraucher gar nicht oder unzureichend über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, zumal er dessen Fortbestehen schwerer erkennen werde, wenn die Widerrufsbelehrung den Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit erwecke. Die vorliegende Belehrung, die Frist beginne frühestens mit Erhalt dieser Belehrung, sei gemäß Urteil des BGH vom 1.3.2012 - III ZR 83/11 - irreführend. Die Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des BGH, dass sich der belehrungspflichtige Versicherer auf eine Verwirkung schon deshalb nicht berufen könne, weil er den Kunden nicht ordnungsgemäß belehrt und damit die Situation des fortbestehenden Widerspruchsrechts selbst herbeigeführt habe, sei auf das Widerrufsrecht beim Verbraucherkredit zu übertragen. Überdies habe es die Beklagte unterlassen, den selbst verursachten Schwebezustand durch eine Nachbelehrung zu beenden. Die Freigabe der Sicherheiten sei nicht im Vertrauen auf das Ausbleiben des Widerrufs erfolgt, sondern die Beklagte hätte die Grundpfandrechte nach Widerruf ebenso freigeben müssen. Die Beklagte hätte die von den Klägern gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen und Bearbeitungsgebühren auch dann Zins bringend angelegt, wenn sie noch mit einer Widerrufsausübung gerechnet hätte, ein gegenteiliges Vertrauen könne zu diesem (frühen) Zeitpunkt nicht bestanden haben. Ohnehin würden nur solche Dispositionen im Vertrauen auf den Bestand der Vertragserfüllung ausreichen, die dem Verpflichteten seine Inanspruchnahme unzumutbar machen. Der BGH habe im Verfahren XI ZR 501/15 ein schutzwürdiges Vertrauen der Darlehensgeberin nicht schon daraus entnommen, dass zwischen Vertragsschluss bzw. Ablösung der Darlehen und Widerruf rund 12 ½ bzw. 7 ½ Jahre lagen, sondern die Sache zur weiteren Klärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

[3] Die Kläger beantragen, das Urteil des LG Berlin vom 6.4.2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 5.811,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach BGB aus diesem Betrag seit dem 17.3.2015 sowie weitere 1.353,45 EUR (= Zinsen auf den Rückforderungsbetrag von 5.811,71 EUR für die Zeit vom 1.6.2010 bis zum 16.3.2015) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Die Berufung zurückzuweisen.

[4] Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II. [5] Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen und zutreffend ausgeführt, dass der Ausübung des Widerrufsrechts der Kläger der Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB) entgegensteht. Auf die Begründung des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Auf das Berufungsvorbringen sei Folgendes hervorgehoben bzw. ergänzt:

[6] Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 18.10.2001 - I ZR 91/99 - GRUR 2002, 280; BGH, Urteil vom 14.06.2004 - II ZR 392/01 - WM 2004, 1518, 1520, jeweils m.w.N.). Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. § 242 Rn. 93 m.w.N.). Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten de...

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