Leitsatz (amtlich)
1. Die Initiatorin eines geschlossenen Immobilienfonds und Prospektherausgeberin kann den Fondsanlegern auf Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB haften, wenn sie Kenntnis von einem konkreten, behördlich festgestellten Altlastenverdacht in Bezug auf das Fondsgrundstück hat und im Fondsprospekt auf diesen Umstand nicht hingewiesen wird.
2. Ist Fondsinitiatorin und Prospektherausgeberin eine juristische Person, so muss die haftungsbegründende Kenntnis nicht zwingend bei deren gesetzlichem Vertreter vorliegen; es reicht vielmehr aus, dass die entsprechenden Informationen und Unterlagen in ihren Einflussbereich gelangt und von den fachlich zuständigen Mitarbeitern erfasst worden sind. Denn auch im Anwendungsbereich des § 826 BGB muss sich eine juristische Person das ihr einmal vermittelte, typischerweise aktenmäßig festgehaltene Wissen zurechnen lassen. Die vom BGH zur Arglisthaftung beim Grundstückskaufvertrag entwickelten Grundsätze der "Wissenszusammenrechnung" sind, da ihr materieller Grund im Verkehrsschutz liegt, auf die deliktische Vorsatzhaftung zu übertragen. Auf den Schädigungsvorsatz der juristischen Person ist - wie bei einer natürlichen Person - aus der Kenntnis von den objektiven Umständen zu schließen, da § 826 BGB ein voluntatives Element, welches über die offensichtliche Inkaufnahme der negativen Folgen des eigenen Handelns für Dritte hinausgeht, nicht verlangt.
3. Ein "außergewöhnlicher Steuervorteil", den der geschädigte Anleger bei der Schadensberechnung im Wege der Vorteilsausgleichung in Abzug bringen muss, liegt bei einer Fondsgesellschaft in Form der GbR noch nicht vor, wenn die Verlustzuweisungen die Einlageleistungen des Anlegers geringfügig übersteigen, da die Verlustzuweisungen hier aufgrund der unbeschränkten persönlichen Haftung des Gesellschafters besonders hoch sind. Von einem "außergewöhnlichen Steuervorteil" ist jedoch dann auszugehen, wenn dieser das investierte Kapital abzgl. erhaltener Ausschüttungen übersteigt. Denn in einem solchen Fall ist - abgesehen von einem möglichen Gewinnentgang - eine Vermögenseinbuße rechnerisch nicht eingetreten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.10.2009; Aktenzeichen 2 O 26/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger zu 1. bis 4., wird das am 28.10.2009 verkündete Urteil des LG Berlin - 2 O 26/09 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
- an den Kläger zu 1. (Berufungskläger zu 1., Dr. ...B.) 181.224,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 85.789,66 EUR seit dem 8.5.2009 und aus weiteren 95.435,08 EUR seit dem 5.6.2011 zu zahlen,
- an den Kläger zu 3. (Berufungskläger zu 3., Dr. ...G.) 192.219,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 100.929,02 EUR seit dem 8.5.2009 und aus weiteren 91.290,28 EUR seit dem 5.6.2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung des von diesem an der G.Fonds 3 GbR gehaltenen Gesellschaftsanteils,
- an die Klägerin zu 4. (Berufungsklägerin zu 4., ...H.) 124.942,55 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 65.603,86 EUR seit dem 8.5.2009 und aus weiteren 59.338,69 EUR seit dem 5.6.2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung des von dieser an der G.Fonds 3 GbR gehaltenen Gesellschaftsanteils.
Die weiter gehenden in der Berufungsinstanz geltend gemachten Zinsanträge werden abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufungskläger zu 1. bis 4. von allen Verbindlichkeiten freizustellen, die durch ihre jeweilige Beteiligung an der G.Fonds 3 GbR begründet worden sind oder künftig entstehen, bei den Berufungsklägern zu 1., 3. und 4. mit Ausnahme etwaiger Steuerbelastungen, welche durch die Erfüllung der vorstehend tenorierten Zahlungsansprüche oder künftige Freistellungen bedingt sind.
Es wird ferner festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der ihr angebotenen Gesellschaftsbeteiligungen der Berufungskläger zu 3. und 4. in Verzug befindet.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Berufungskläger durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe
I. Die Berufungskläger machen gegen die Berufungsbeklagte Schadensersatzansprüche wegen ihrer Beteiligung an der G.Immobilienfonds 3 GbR ("G.Fonds 3") geltend.
Die Berufungsbeklagte ("Beklagte") ist Initiatorin des vorgenannten Fonds und neben der Dr. G.GmbH Herausgeberin des am 20.3.1996 emittierten Fondsprospekts. Ferner ist sie seit 1990, teilweise bereits früher, Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, die Teil des Geländes des...