Leitsatz (amtlich)
Ein zivilrechtlicher Anspruch auf Herausgabe von Vermögensgegenständen, die durch nationalsozialistische Unterdrückungsmaßnahmen entzogen worden sind, scheidet im Hinblick auf den Vorrang des alliierten Rückerstattungsrechts und der Wiedergutmachungsvorschriften des Bundesrückerstattungsgesetzes aus.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.02.2009; Aktenzeichen 19 O 116/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.2.2009 verkündete Urteil des LG Berlin - 19 O 116/08 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht berechtigt ist, die im Besitz der Beklagten befindlichen Plakate aus der Plakatsammlung des Zahnarztes Dr. H.S. (Sammlungszeitraum 1896 bis 1938), die durch einen Aufkleber oder eine Stempelung als von Dr. H.S. gesammelt identifizierbar sind - derzeit identifiziert: 4.259 Plakate - herauszuverlangen.
Die Klage und die weitergehende Widerklage werden abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt als Erbeserbe Herausgabe von zwei Plakaten aus einer Sammlung, die seinem Vater Dr. H.S. 1938 im Auftrag des Reichspropagandaministeriums weggenommen wurde und zu einem erheblichen Teil in den Besitz des Museums für Deutsche Geschichte und sodann der Beklagten gelangt ist. Die Beklagte begehrt widerklagend die Feststellung, dass der Kläger nicht Eigentümer der in ihrem Besitz befindlichen, durch Aufkleber oder Stempelung als von Dr. H.S. gesammelt zu identifizierenden Plakate sei, hilfsweise die Feststellung, dass der Kläger nicht Herausgabe dieser Plakate verlangen könne. Das LG hat die Beklagte zur Herausgabe des Plakates "Dogge" verurteilt, die Klage hinsichtlich des Plakates "Die blonde Venus" und die Widerklage hat es abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der gestellten Anträge und der Begründung der Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 12.2.2009 und dem Kläger am 13.2.2009 zugestellt worden ist, haben beide Parteien am 12.3.2009 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist am 11.5.2009 eingegangen, nachdem auf ihren am 25.3.2009 eingegangenen Antrag die Frist hierfür bis zum 12.5.2009 verlängert worden war. Die Begründungsfrist für den Kläger ist auf entsprechenden Antrag in seiner Berufungsschrift bis zum 13.5.2009 verlängert worden und seine Berufungsbegründung ist an diesem Tag eingegangen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Klage auf Herausgabe des Plakates "Die blonde Venus" weiter und macht geltend:
Die Zugehörigkeit dieses Plakates zur Sammlung seines Vaters werde entgegen der Auffassung des LG durch die vorgetragenen Indizien hinreichend belegt, insbesondere weil es - was unstreitig ist - zusammen mit durch Stempel/Aufkleber einwandfrei der Sammlung S. zuzuordnenden Plakaten verpackt aufgefunden und bei Überführung in die Bestände des Deutschen Historischen Museums bzw. der Beklagten der Sammlung S. zugeordnet wurde. Nach Entstehungszeit und künstlerischem Wert der Darstellung sowie dargestelltem Sujet gehöre das Plakat zum Sammlungsgebiet der Sammlung H.S. Die Plakatsammlung der Beklagten bestehe hinsichtlich künstlerisch gestalteter Plakate aus der Zeit bis 1938 so gut wie ausschließlich aus der Sammlung H.S. Die Beklagte habe keinen anderweitigen Erwerb des Plakats vorgetragen.
Die Beklagte habe das Plakat augenscheinlich verändert. Bei der Ausstellung 1992 sei es noch auf grauem Leinen aufgezogen gewesen, was sich auch aus dem Bestandsverzeichnis der Beklagten ergebe und eine Besonderheit des Dr. H.S. gewesen sei, in der mündlichen Verhandlung vor dem LG dagegen mit einem neuen Stoff. Auf dem ursprünglichen grauen Leinenshirting sei ein Stempel vorhanden gewesen. Die handschriftliche Notiz "Kupfer-S." auf dem Plakat stamme von Dr. H.S. Überdies seien einzelne Plakate von Dr. S. nicht gekennzeichnet gewesen, wenn er hierzu noch nicht gekommen war oder sie zum Tausch vorgesehen waren; seine Sammlung habe auch gefaltete Plakate umfasst.
Die Zulässigkeit des Rechtsweges sei in der Berufungsinstanz gem. § 17a Abs. 5 GVG nicht mehr zu prüfen. Ohnehin sei der vorliegende Fall dadurch gekennzeichnet, dass keine Eigentumsentziehung erfolgt sei, sondern ein Raub durch staatliche Organe im Geltungsbereich des Bundesrückerstattungsgesetzes. Nach diesem Gesetz abgearbeitete Fälle unterfielen nicht dem Vermögensgesetz (im Folgenden: VermG). Die erfolgte Wiedergutmachungszah...