Leitsatz (amtlich)
Das berechtigte Interesse an der Gegendarstellung entfällt nicht ohne weiteres wenn
a) der Betroffene vor der Veröffentlichung der Erstmitteilung eine Aufforderung zur Stellungnahme nicht nutzte;
b) die Zeitung in der Folgeberichterstattung eine Berichtigung veröffentlichte
Die Gegendarstellung muss nicht zwangsläufig in derselben Schriftgröße erfolgen wie die Ausgangsmitteilung Abschrift
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 22.08.2006; Aktenzeichen 27 O 942/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin werden das am 19.9.2006 verkündete Urteil des LG Berlin und die einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 22.8.2006 - 27 O 942/06 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der Zeitung "B.a.S." in gleicher Schrift und in gleichen Teilen des Druckwerks wie der beanstandete Text sowie in allen Ausgaben, in denen der beanstandete Text erschienen ist, auf der der Ausgangsmitteilung entsprechenden Seite unter der drucktechnisch hervorzuhebenden Überschrift "Gegendarstellung J." in der Größe der Schrift der Worte "Richter zitiert J. vor Gericht" aus der B.a.S. vom 6.8.2006 die nachfolgende Gegendarstellung ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken, wobei die Größe des Textes der Entgegnung "Die Anordnung meines persönlichen Erscheinens ist vom LG Potsdam mit Beschluss vom 30.5.2006 aufgehoben worden" gedruckt wird halb so groß wie die Größe der Schrift "Richter zitiert J. vor Gericht" aus der B.a.S. vom 6.8.2006:
Gegendarstellung J.
In der B.a.S. vom 6.8.2006 schreiben Sie auf S. 16 in dem Artikel mit der Überschrift "Richter zitiert J. vor Gericht" über mich:
"Treffen sich vor Gericht G.J. (...) wird von Ex- Boxer R.W. (...) verklagt. Verhandlung ist am 7.9."
Sodann heißt es:
"'Die Verhandlung findet am 7.9. um 10.40 Uhr am LG Potsdam statt. Der Richter hat das persönliche Erscheinen von Herrn W. und Herrn J. angeordnet', sagt W.-Anwalt M.R. zu B."
Hierzu stelle ich fest:
Die Anordnung meines persönlichen Erscheinens ist vom LG Potsdam mit Beschluss vom 30.5.2006 aufgehoben worden.
Berlin, den 8.8.2006
Rechtsanwalt Dr. C.S. für G.J.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3 zu tragen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung den Abdruck einer Gegendarstellung.
Das LG hat seinem Antrag am 22.8.2006 im Beschlusswege stattgegeben. Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch hat das LG mit Urteil vom 19.9.2005 die einstweilige Verfügung bestätigt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, des Umfanges des Anordnungsbeschlusses, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil erster Instanz Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Urteil wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 25.9.2006 zugestellt. Die Berufung wurde am 26.9.2006 per Fax eingelegt und zugleich begründet.
Mit der Berufung begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und Zurückweisung des Verfügungsantrages.
Sie macht weiterhin geltend, das berechtigte Interesse sei entfallen, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Redakteurin H. anlässlich des Telefonats vom 28.7.2006 auf die bereits am 30.5.2006 aufgehobene Anordnung des persönlichen Erscheinens habe hinweisen müssen. Hierzu sei er auch im Rahmen des § 254 BGB sowie nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen. Die Redakteurin habe die Erklärung, es würden in der Sache keine Kommentare abgegeben, geradezu als Bestätigung ihrer (unzutreffenden) Annahme hinsichtlich der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen auffassen müssen.
Das berechtigte Interesse sei auch durch den Zeitablauf entfallen, weil der Gerichtstermin bereits am 7.9.2006 war. Die Information zur Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens sei jedenfalls nunmehr völlig belanglos, zumal bereits am 13.8.2006 ein entsprechender Bericht in der "B.a.S." veröffentlicht worden war.
Schließlich beanstandet sie die Abdruckanordnung. Der vom Antragsteller begehrte Abdruck in derselben Größe wie die Ausgangsmitteilung berücksichtige nicht das durch die Verfassung geschützte redaktionelle Freihaltebedürfnis.
Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Berlin vom 19.9.2006 die einstweilige Verfügung vom 22.8.2006 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, dem Antragsteller könne es nicht als Mitverschulden entgegengehalten werden, wenn er über seinen Verfahrensbevollmächtigten mitteilen lässt, sich nicht äußern zu wollen. Die Antragsgegnerin habe sich ihren Recherchepflichten nicht durch Anruf beim Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers entledigen können.
Die Wortwahl "Richter zitiert J. vor Gericht" sei nicht deshalb belanglos (geworden), weil der Termin vom 7.9.2006 in der Vergangenhe...