Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Aufnahme eines Asylbewerbers in eine gewerbliche private Unterkunft hat der Betreiber jedenfalls dann einen direkten zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen das Land Berlin für seine Leistungen, wenn er diese aufgrund der im vorliegenden Fall verwendeten Kostenübernahmeerklärung des Landes aus dem Jahr 2015 erbracht hat.
2. Die Kostenübernahmebereitschaft des Landes bezieht sich aber nicht auf einen einseitig vom Beherbergungsbetrieb festgesetzten Preis, sondern nur seinen "allgemein ausgewiesenen günstigsten Kostenansatz". Zumindest wenn ein Beherbergungsbetrieb überhaupt erst für die Aufnahme von Asylbewerbern eröffnet oder wieder eröffnet wird, liegt der Vergütung, die der Beherbergungsbetrieb hierfür ausweist, die anlassbezogene einseitige Leistungsbestimmung einer Vertragspartei zugrunde. Diese ist für das Land nur verbindlich, wenn sie nach billigem Ermessen getroffen worden ist, andernfalls muss die Leistungsbestimmung durch gerichtliches Urteil erfolgen (§ 315 Abs. 3 BGB).
3. Hat der Beherbergungsbetrieb für die Aufnahme von Asylbewerbern vom Land Abschlagszahlungen erhalten, dann war dies mit der zumindest konkludenten Abrede verbunden, dass eine Schlussabrechnung tatsächlich eine Vergütung in der entsprechenden Höhe ergibt. Eine etwaige Überzahlung ist auf vertraglicher Anspruchsgrundlage zurück zu gewähren. Wird eine umstrittene Überzahlung zurückgefordert, hat der Empfänger von Abschlagszahlungen darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang er tatsächlich Beherbergungsleistungen erbracht hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 22 O 257/16) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7.06.2017 wie folgt abgeändert:
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 128.586,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 52.926,00 Euro seit dem 6.01.2017 und aus 75.660,00 Euro seit dem 20.02.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte vorab die Kosten seiner Säumnis, im Übrigen hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Übernahme der Kosten seitens des Beklagten für die Unterbringung von Asylbewerbern durch die Klägerin, wobei die Klägerin weitere Zahlungen begehrt und der Beklagte geleistete Zahlungen zurückfordert.
Die Klägerin meldete am 5.05.2015 für die Betriebsstätte S... ..., ... B..., ein Gewerbe mit der Tätigkeit "Autohandel (Import und Export), Vermietung und Verpachtung von Immobilien" an (Anlage B 9, Bl. I/111 d.A.). Eine Gewerbeanmeldung für die Anschrift B... ..., ... B..., gab es nicht.
Für das ehemalige Hostel A... in der B... ..., ... B..., lag bis zum 7.05.2014 eine Baugenehmigung für einen Hotelbetrieb vor. Danach war der Hotelbetrieb eingestellt, die Räumlichkeiten standen leer, die Feuerwehr schaltete die Übertragungseinheit ab. Die Klägerin mietete die Räumlichkeiten im EG, 1. OG und 3. OG ausschließlich zum Zwecke der Unterbringung von Asylbewerbern als Beherbergungsstätte von der L... P... - und S... GmbH für den Zeitraum Juni 2015 bis Januar 2016 an (Anlage B 10, Bl. I/112ff d.A.). Im Frühjahr 2015 nahm die Klägerin den Beherbergungsbetrieb auf, die Übertragungseinheit zur Feuerwehr wurde nicht wieder hergestellt. Am 19.10.2015 fand eine Brandsicherheitsschau in dem Hostel statt, an der u.a. der Geschäftsführer der Vermieterin teilnahm (Anlage B 16). Mit Anordnung gegenüber der L... S... GmbH vom 26.10.2015 untersagte das B... M..., Bauaufsicht, wegen nicht vorhandener oder nicht nutzbarer sicherheitstechnischer Einrichtungen die Nutzung als Hotel bzw. die Vermietung bzw. Überlassung von Nutzungseinheiten im gesamten Gebäude (Anlage B 17). Die Zustellung an die Adressatin sowie die Kenntnis der Klägerin sind streitig. Auf Bitten des Integrationsbeauftragten und der mobilen Anlaufstelle der Caritas für europäische Wanderarbeiter wurde zunächst nur das 1. OG beräumt, bis zum 24.02.2016 auch das EG. Die Bauaufsicht hatte den Eindruck, dass in der Unterkunft nur rumänische und bulgarische Personen untergebracht waren.
Asylbewerber, die Ansprüche nach AsylbLG haben, erhielten von der Beklagten, ausgestellt vom Landesamt für Gesundheit und Soziales, Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber, Erklärungen über die "Kostenübernahme bei Notunterbringung in gewerblich genehmigten Unterkünften" und gerichtet an "Hostel / Pension (ausschließlich Land Berlin)", die folgenden Wortlaut (vgl. Bl. I/79 d.A.) haben:
"Wir übe...