Leitsatz (amtlich)
1. Ob der Mieter sämtliche bei Vertragsbeginn vorhandenen Ein- und Ausgänge einer Ladenfläche offen halten muss, ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln (ebenso OLG Dresden NZM 2008, 131).
2. Zur Annahme eines Anspruchs des Vermieters auf Offenhaltung, wenn die dem Mietvertrag beigefügten Pläne die Ein- und Ausgänge ausweisen, der Mietvertrag dem Mieter eine umfassende Betriebspflicht auferlegt und der Vermieter bei den Vertragsverhandlungen den zweiten Ein- und Ausgangsbereich verlangt hat.
3. Die Abrede über die Offenhaltung der Ein- und Ausgänge wahrt die (vertraglich vereinbarte) Schriftform, wenn der Parteiwille in der Urkunde durch die ausdrückliche Betriebspflicht in Verbindung mit der Zustandsbeschreibung der Räume einen - wenn auch unvollkommenen - Ausdruck gefunden hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 21.02.2014; Aktenzeichen 12 O 449/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.2.2014 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des LG Berlin -12 O 449/12 - abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, im 1. Obergeschoss der von ihr genutzten Mieträume T., eine Ein- und Ausgangs- sowie Kassensituation gemäß dem als Anlage K 6 beigefügten Grundrissplan herzustellen und den Ein- und Ausgangsbereich während der Geschäfts- zeiten geöffnet zu halten, wobei die Öffnung der Glasfaltanlage zwischen dem "Bahnhof für Glasfaltanlage" bis zur - von dem Bahnhof für die Glasfaltanlage aus gesehen - zweiten Säule nach links (über dem Feld P 14 auf dem Grund- rissplan K 6) zu erfolgen hat.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 EUR und wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in der Hauptsache Sicherheit i.H.v. 40.000 EUR und wegen der Kosten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
- Anlage K6 -
Gründe
A. Die Beklagte hat von der Klägerin mit Vertrag vom August 2004 (Anl. K 2) Räume im Untergeschoss bis zum 5. OG des E.angemietet. In § 1 Nr. 1 des Mietvertrags (MV) ist vereinbart, dass die Räume von der Klägerin entsprechend den als Anlage zum Mietvertrag genommenen Plänen erstellt werden. Der Plan für das 1. OG sieht (zusätzlich zu den Ein- und Ausgängen im EG) einen Eingang von der Ladenstraße des Centers vor sowie eine Kassenzone mit 10 Kassen und ebensovielen Ausgängen. Nach der erstinstanzlichen Vernehmung des klägerischen Zeugen T.zum Inhalt der Vertragsverhandlungen ist unstreitig geworden, dass dieser als Verhandlungsführer der Klägerin gegenüber dem (kaufmännischen) Verhandlungsführer der Beklagten, Schade, die Einrichtung von Ein- und Ausgängen auch im 1. OG wünschte. Der Vertrag sieht in § 1 Nr. 13 eine Betriebspflicht vor und in § 16 Nr. 6 folgende Klausel: "Änderungen, Ergänzungen und Nebenabreden bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses."
Die Mieträume wurden den Plänen entsprechend hergestellt und von der Beklagten in Betrieb genommen. Die Beklagte gestaltete in der Folgezeit den Ein- und Ausgangsbereich im 1. OG um, indem sie im Jahr 2009 den Eingang gemäß Plan K 1 "baulich schloss", 4 oder 5 Kassen entfernte und an ihrer Stelle einen neuen Eingang einrichtete. Ferner erfolgte im Jahr 2010 eine weitere Verkleinerung des Ein- und Ausgangsbereichs dahin, dass nur ein eine Info-Stelle mit Kasse und eine weitere Kasse erhalten blieben (s. Plan K 6, Bl. 162 d.A.).
Diese Maßnahmen erfolgten mit Zustimmung der Klägerin.
Seit April 2010 hält die Beklagte die Ein- und Ausgänge im 1. OG insgesamt verschlossen.
Die auf Verurteilung der Beklagten zur Herstellung eines Eingangs sowie von Ausgängen gemäß dem als Anlage K 1 beigefügten Grundrissplan und auf deren Offenhaltung während der Geschäftszeiten gerichtete Klage vom 17.7.2012 hat das LG - nach Vernehmung der Zeugen T.und H...- im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Beweisaufnahme nicht ergeben habe, dass die Klägerin "einen Ein- und Ausgang im 1. OG zur Bedingung für den Abschluss des Mietvertrags erhoben" habe. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der vom Kläger angegriffenen Entscheidung wird im Übrigen Bezug genommen.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:
Nicht nur die Herstellung, sondern auch die Aufrechterhaltung eines Ein- und Ausgangsbereichs im 1. OG sei Vertragsinhalt geworden. Dies ergebe sich aus den detaillierten Eintragungen im Grundrissplan (K 1), der als Anlage zum Mietvertrag - wie bei Gewerbemietverträgen üblich - ebenso zum Vertragsinhalt gehöre wie der Vertragstext.
Zumindest sei die Verpflichtung zur Herstellung und Aufrechterhaltung des Kassenbereichs sowie des Ein- und Ausgangs im 1. OG stillschweigend vereinbart. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe bestätigt, dass Hr. T.gegenüber Hr. S...