Entscheidungsstichwort (Thema)
Kollision von zwei Lkw auf Betriebsgelände
Leitsatz (amtlich)
Die für Parkplätze und Parkhäuser aufgestellten Grundsätze, wonach jederzeit mit rangierenden und aus Parktaschen herausfahrenden Fahrzeugen zu rechnen ist, weshalb eine Geschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h angemessen sei, ist auf das von Lkw befahrenen Betriebsgelände mit einer Laderampe nicht ohne Weiteres anzuwenden.
Entscheidend für das Vorhandensein mehrerer Fahrstreifen i.S.d. § 7 Abs. 2 StVO ist die tatsächliche Fahrbahrbreite, nicht das Vorhandensein von Fahrbahnmarkierungen.
Im Falle eines Fahrstreifenwechsels (§ 7 Abs. 5 StVO) oder eines Anfahrens von der Laderampe eines Betriebsgeländes (§ 1 StVO i.V.m. § 10 StVO) kommt eine Mithaftung des Unfallgegners nur dann in Betracht, wenn der Fahrstreifenwechsler/Anfahrende Umstände nachweist, die ein Mitverschulden des Unfallgegners belegen.
Normenkette
StVO § 7 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Berlin-Mitte (Urteil vom 07.04.2004; Aktenzeichen 114 C 3272/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.4.2004 verkündete Urteil der Abt. 114 des AG Mitte - 114 C 3272/03 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
A. Der Kläger ist allerdings entgegen der Annahme der Berufung aktiv legitimiert, weshalb das Rubrum auf entsprechenden Antrag zu berichtigen war. Der Kläger ist ausweislich des Beschlusses des Bezirksgerichts Z. vom 20.10.2003 zum Verlassenschaftskurator der Verlassenschaft nach dem verstorbenen ursprünglichen Kläger J.F. bestellt worden und seit Aufhebung des Konkurses über das Vermögen der Verlassenschaft auch wieder befugt, diese zu vertreten. Dies haben die Beklagten auch nicht bestritten. Soweit sich ihr Bestreiten darauf bezieht, dass fraglich sei, ob die Bestellung des Klägers vom 20.10.2003 noch andauere, ist dieses Bestreiten nicht erheblich. Allein die Tatsache, dass die Bestellung des Klägers am 20.10.2003 erfolgte, ist nicht geeignet, ihr weiteres Vorliegen in Zweifel zu ziehen, zumal die Bestellung ausweislich des vorgelegten Beschlusses nicht für einen bestimmten Zeitraum erfolgte und der bisher verstrichene Zeitraum nicht einmal zwei Jahre beträgt. Ohne weiteres Vorbringen der Beklagten zu Tatsachen, die geeignet wären, eine zwischenzeitliche Aufhebung der Kuratorenbestellung zu vermuten, war dem Kläger deshalb auch nicht aufzugeben, seine weiter andauernde Bestellung durch Vorlage bspw. einer Bestätigung des Bezirksgerichts Z. erneut nachzuweisen.
B. Die Berufung hat in der Sache Erfolg, weil das AG Mitte in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Beklagten gem. § 17 Abs. 1 S. 2 StVG a.F. eine Mithaftung von 30 % hinsichtlich des Unfalls vom 30.1.2001 auf dem Speditionsgelände der Fa. R. in B. trifft.
1. Richtig ist das AG allerdings davon ausgegangen, dass sich der Unfall für keinen der beiden Fahrer als unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 StVG a.F. darstellte. Ein unabwendbares Ereignis liegt nur dann vor, wenn der Unfall auch bei äußerst möglicher Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können (BGH, Urt. v. 10.10.2000, NJW 2001, 152). Der Beklagte zu 1) hätte mit einem Maß an Sorgfalt handeln müssen, das weit über das eines durchschnittlichen Fahrers hinausgeht und dem Bild eines Idealfahrers entspricht. Hierfür ist das Vorbringen der Beklagten zum Fahrverhalten des Beklagten zu 1) nicht ausreichend.
2. Nicht gefolgt werden kann dem AG jedoch, soweit es unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr der beiden Fahrzeuge zu einer Mithaftung der Beklagten von 30 % kommt. Dabei kann es dahinstehen, ob der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls parallel zur Verladerampe, also in gleicher Richtung wie der Beklagte zu 1) fuhr - wovon das AG offenbar ausgegangen ist - oder ob er, wie die Beklagten behaupten, quer zur Fahrtrichtung des Beklagten zu 1), also fast im 90 Winkel zur Rampe stand, worauf die polizeilichen Unfallskizzen hindeuten. Sowohl auf der Verkehrsunfallanzeige, als auch auf der angefertigten Unfallskizze Bl. 4 der Beiakten 126 PLs 723/01 ist der klägerische Lkw als zum Zeitpunkt des Unfalls nahezu im rechten Winkel zur an den Verladerampen vorbeiführenden Zufahrt stehend eingezeichnet. Eine derartige Stellung zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes weist eher darauf hin, dass der Lkw bereits zuvor schräg stand und sich nicht in paralleler Fahrt zu den Verladerampen befand.
a) Selbst wenn der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs parallel zu der Verladerampe geradeaus gefahren und aus der Geradeausfahrt nach rechts ausgeschert wäre, ohne dies unstreitig durch Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers anzukündigen und ohne den nachfolgenden Verkehr, hier den Beklagten zu 1), ausreichend zu beachten, haftet er nach den anwendbaren Grundsätzen des sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsels allein. Entscheidend für das Vorhandensein mehrerer Fahrstreifen i.S.v...