Ausmaß und Formen der Behinderung
Eine Behinderung i. S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG liegt vor, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 (= Legaldefinition) und 2 SGB IX genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn das Kind körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen hat, die es in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Als Kinder, die wegen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, kommen insbesondere Kinder in Betracht,
- die schwerbehindert oder
- die Schwerbehinderten gleichgestellt sind.
Schwerbehindert sind Personen, deren Grad der Behinderung wenigstens 50 beträgt.
Gleichgestellt sind Personen mit dem Grad der Behinderung von weniger als 50 und mindestens 30. Neben der Feststellung der Behinderung durch das Versorgungsamt werden diese Personen auf Antrag von der Agentur für Arbeit Schwerbehinderten durch Gleichstellungsbescheid gleichgestellt.
Voraussetzung für die Gleichstellung ist, dass behinderte Menschen ohne diese Gleichstellung
- keinen geeigneten Arbeitsplatz bekommen oder
- einen geeigneten Arbeitsplatz nicht behalten können.
Die Behinderung kann in Form einer schweren körperlichen, schweren geistigen oder schweren seelischen Behinderung bestehen, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und deren Ende nicht absehbar ist. Zu den Behinderungen können auch Suchtkrankheiten (z. B. Drogenabhängigkeit, Alkoholismus) gehören.
Allein der Umstand, dass sich ein Kind wegen Drogenabhängigkeit in einem Polamidon-Substitutionsprogramm befunden hat, lässt nicht den Schluss zu, dass das Kind behindert und wegen der Behinderung außerstande war, sich selbst zu unterhalten.
Bei einem drogenabhängigen Kind wurde ein Grad der körperlichen und seelischen Behinderung von mindestens 50 angenommen, weil es im streitigen Zeitraum ausschließlich in einer Reha-Klinik untergebracht war.
Eine drohende Behinderung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG.
Dagegen kann eine seelische Behinderung die Voraussetzung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG für eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines volljährigen Kindes, das aufgrund von Drogenkonsums stark verhaltensauffällig ist, erfüllen.
Zeitpunkt des Eintritts der Behinderung
Nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 2. Halbsatz EStG ist Voraussetzung, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Für ein behindertes, über 25 Jahre altes Kind besteht kein Anspruch auf Kindergeld, wenn die Behinderung nach Ablauf des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Diese Altersgrenze, innerhalb derer die Behinderung eingetreten sein muss, ist nicht um den Zeitraum eines in früheren Jahren geleisteten Grundwehrdienstes in entsprechender Anwendung von § 32 Abs. 5 EStG zu verlängern.
Ein Gendefekt stellt nur dann eine Behinderung i. S. v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG dar, wenn das Kind dadurch vor Erreichen der Altersgrenze (25 Jahre) in seinen körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seiner seelischen Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate vom alterstypischen Zustand abweicht und dadurch in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt ist.
Zeitpunkt des Eintritts der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt
Die Ursächlichkeit und behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt muss nicht bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres vorgelegen haben. Allein die Behinderung muss vor diesem Zeitpunkt eingetreten sein.
Nachweis der Behinderung des Kindes
Zum Nachweis der Behinderung bestehen folgende Regelungen:
Bei einem Grad der Behinderung von mindestens 50 muss der Kindergeldberechtigte bzw. der Steuerpflichtige den Nachweis durch Vorlage des Ausweises nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX Schwerbehindertenausweis) oder des Bescheids des Versorgungsamts führen. Bei einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber mindestens 20 ist der Nachweis zu führen
- durch eine Bescheinigung des Versorgungsamts aufgrund eines Feststellungsbescheids nach § 69 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) oder
- durch den Rentenbescheid, wenn dem Kind wegen der Behinderung aufgrund gesetzlicher Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen.
Bei der Einstufung in den Pflegegrad 4 oder 5 nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) oder nach dem Bundessozialhilfegesetz ist der Nachweis durch den entsprechenden Bescheid zu führen.
Nachweis auf andere Weise:
Der Nachweis der Behinderung kann auch in Form einer Bescheinigung bzw. eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder eines ärztlichen Gutachtens erbracht werden. Der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt kann auch durch ...