Vom Grundsatz her haften beide Elternteile für den Kindesunterhalt anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Dies ergibt sich aus § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Als Sonderregelung hierzu legt § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB für den Unterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder fest, dass der betreuende Elternteil in der Regel seine Unterhaltspflicht durch die Betreuung des Kindes erfüllt, während der nicht betreuende Elternteil zur Zahlung des Barunterhalts verpflichtet ist. Der Betreuungs- und der Barunterhalt stehen sich dabei grds. gleichwertig gegenüber.
Es gibt immer wieder politische Bestrebungen, das Unterhaltsrecht an die veränderten gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. Im Koalitionsvertrag für die 19. Wahlperiode (2018) hieß es z. B. hierzu:
"Zumeist wollen beide Elternteile nach Trennung und Scheidung intensiv in die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder eingebunden bleiben. Dies wollen wir bei Umgang und Unterhalt stärker berücksichtigen, wenn die Eltern sich einig sind oder Gründe des Kindeswohls vorliegen. Dabei muss das Kindeswohl stets im Mittelpunkt stehen. Wir prüfen, inwieweit Unterhaltsbedarf und Selbstbehalt verbindlich geregelt werden könnten."
Die amtierende Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat jüngst in der Presse Reformen beim Unterhaltsrecht angekündigt, die möglichst viel Flexibilität für verschiedene Betreuungsmodelle berücksichtigen sollen. Es gehe nicht an, "dass der Vater weiterhin den vollen Unterhalt zahlen muss, auch wenn das Kind viel Zeit bei ihm verbringe und sogar ein eigenes Zimmer bei ihm habe".
Die Politik plant demnach eine Neuausrichtung der Unterhaltspflicht unter Berücksichtigung der Betreuungsleistungen der jeweiligen Elternteile. Eine Umsetzung dieser Reformbestrebungen ist bisher nicht erfolgt.
4.1 Bedarf des minderjährigen Kindes
Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kommt es auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an. Dabei ist die Unterhaltspflicht aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Der Kindesunterhalt kann daher in der zumeist vorkommenden Fallkonstellation des sogenannten Residenzmodells in der Regel aufgrund des vom Barunterhaltspflichtigen erzielten Einkommens ermittelt werden.
4.1.1 Der Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle
Es entspricht der vom BGH gebilligten tatrichterlichen Praxis, sich bei der Bemessung des angemessenen Unterhaltes i. S. d. § 1610 Abs. 1 BGB an den von den Oberlandesgerichten entwickelten Tabellenwerken zu orientieren. Durch die Düsseldorfer Tabelle wird eine bundesweit möglichst gleichwertige Behandlung des Barkindesunterhaltsbedarfs gewährleistet. Dieser richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils.
Der BGH hatte in der Vergangenheit eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte nicht für sachgerecht gehalten und bei hohen Einkommen stattdessen grundsätzlich eine konkrete Bedarfsermittlung verlangt. Diese Rechtsprechung hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 16.9.2020 geändert. In dieser Entscheidung hat der BGH eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin seinerzeit ausgewiesenen Einkommensbetrags von 5.500 EUR erlaubt. Dementsprechend ist die Düsseldorfer Tabelle seit dem Jahr 2022 von 10 auf 15 Einkommensgruppen bis zu einem Nettoeinkommen des/der Barunterhaltspflichtigen von 11.000 EUR erweitert worden.
Entsprechend der gesetzlichen Regelung zum Mindestunterhalt in § 1612a BGB existieren für minderjährige Kinder 3 Altersstufen (0 bis 5, 6 bis 11 und 12 bis 17 Jahre).
Die seit dem 1.1.2022 eingeführten Einkommensgruppen 11 bis 15 sind auch für Zeiträume bis 2021 anzuwenden, soweit das unterhaltsrelevante Einkommen seinerzeit über die bis zum Jahr 2022 geltende höchste 10. Einkommensgruppe hinausging. Das OLG Düsseldorf führt insoweit aus:
"Die rückwirkende Anwendung der mit der Düsseldorfer Tabelle 2022 eingeführten weiteren Einkommensgruppen ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des Kindesbedarfs bei hohen Elterneinkünften geboten. Danach darf der Kindesunterhalt bei einem den – bis 2021 maßgeblichen – höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Einkommen nicht auf den für die – bis 2021 einschlägige – höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden (BGH, FamRZ 2021, 28, Rn. 19). Um eine solche Bedarfsbeschränkung zu vermeiden, kann Anlass für eine über die höchste Einkomm...