Bedürftigkeit eines minderjährigen Kindes besteht, soweit es seinen Bedarf nicht durch eigene Einkünfte, ggf. auch durch den Einsatz seines Vermögens, decken kann. In Kindesunterhaltsangelegenheiten stellt sich oftmals die Frage, in welcher Höhe aufseiten des minderjährigen Kindes Erwerbseinkünfte, insbesondere eine Ausbildungsvergütung, zu beachten sind. Im Anschluss an die Feststellung des Bedarfs ist dies regelmäßig im Rahmen der Bedürftigkeit (§ 1602 BGB) zu prüfen.

4.3.1 Eigene Einkünfte des minderjährigen Kindes

Eigene Einkünfte sind im Unterhaltsrecht grundsätzlich anzurechnen, um den eigenen Bedarf zu decken. Eigene Einkünfte mindern demnach die Bedürftigkeit. Dabei hängt die Bedürftigkeit regelmäßig nicht nur von tatsächlich erzielten, sondern auch von fiktiven erzielbaren Einkünften ab. Bedürftig ist gemäß § 1602 Abs. 1 BGB nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Wer also keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, obwohl er dies – vor allem mangels Ausbildung oder Krankheit – könnte und deswegen keine Einkünfte hat, kann grds. keinen Unterhalt beanspruchen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Bedürftigkeit liegt beim Bedürftigen. Für minderjährige Kinder gelten im Rahmen der Bedürftigkeit aber Besonderheiten. Dies gilt sowohl für die Anrechnung tatsächlich erzielter Einkünfte als auch für die Zurechnung erzielbarer fiktiver Einkünfte.

4.3.1.1 Grundsatz

Minderjährige Kinder erzielen in aller Regel keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit. Solange sie der Vollzeitschulpflicht unterliegen, besteht sogar weitgehend ein Beschäftigungsverbot nach dem JArbSchG. Nach dem JArbSchG sind insbesondere lediglich leichtere Arbeiten des minderjährigen Kindes zur Aufbesserung des Taschengeldes erlaubt. Sowohl während der allgemeinen Schulausbildung als auch während der sich anschließenden späteren Berufsausbildung trifft Kinder generell keine Erwerbsobliegenheit.[1] Eine solche kommt bei minderjährigen Kindern nur in Betracht, wenn das Kind sich nicht in einer Ausbildung befindet. Und selbst in diesem Fall ist streitig, ob ein arbeitsfähiges minderjähriges Kind seinen Unterhaltsbedarf durch Erwerbstätigkeit selbst decken muss. In älteren Entscheidungen wurde dies oftmals noch verneint. So hat das OLG Stuttgart im Jahr 1996[2] noch entschieden, dass ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind zwar seine Erwerbsobliegenheit verletzen würde, wenn es sich nach Schulabschluss nicht um einen Ausbildungsplatz bemüht; dies führe jedoch anders als bei sonstigen Unterhaltsberechtigten nicht zur Anrechnung fiktiver Einkünfte. Die neuere Rechtsprechung[3] geht allerdings überwiegend davon aus, dass minderjährige Kinder, die nicht mehr den Einschränkungen des JArbSchG und der vollzeitigen Schulpflicht unterliegen, von einer Erwerbspflicht nicht entbunden sind.

 
Hinweis

Sind beim minderjährigen Kind fiktive Einkünfte anzurechnen, ist zu beachten, dass die Anrechnung eines solchen fiktiven Einkommens dem barunterhaltspflichtigen Elternteil wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt nur zur Hälfte zugutekommt, sodass die Anrechnung nicht zu einem völligen Wegfall des Unterhaltsanspruches führen muss.

Für den Fall, dass ein schulpflichtiges Kind gleichwohl Einkünfte erzielt, stammen diese aus unzumutbarer Tätigkeit und sind nur nach Billigkeit entsprechend § 1577 Abs. 2 BGB anzurechnen.[4] In der Regel nicht anzurechnen ist bei einem Schüler ein Verdienst aus einer Nebentätigkeit zur Aufbesserung des Taschengeldes oder zur Erfüllung von Sonderwünschen.

4.3.1.2 Ausnahme Ausbildungsvergütung

Eine Ausnahme bildet die Ausbildungsvergütung, die als Erwerbseinkommen bedarfsmindernd anzurechnen ist. Bei unterhaltsberechtigten Kindern, die sich noch in der Ausbildung befinden, mindern Kosten, die im Rahmen der Ausbildung entstehen die Ausbildungsvergütung. Die Unterhaltsleitlinien zahlreicher Oberlandesgerichte sehen daher eine pauschale Kürzung der Ausbildungsvergütung um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf vor. Dieser beläuft sich derzeit auf 100 EUR. Bei dem Abzug dieses Betrages handelt es sich nicht um eine berufsbedingte Pauschale, sondern um eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf. Dieser findet seine Rechtfertigung neben sonstigen berufsbedingten Aufwendungen in einem Arbeitsanreiz und in der Notwendigkeit der Anschaffung von Büchern, sonstigen Lernmitteln und Einrichtungsgegenständen, die bei einem Arbeitnehmer normalerweise nicht anfallen bzw. durch steuerliche Absetzung einen gewissen Ausgleich finden. Eine Verrechnung mit Fahrtkosten findet daher nicht statt.[1] Die tatsächlich entstandenen berufsbedingten Fahrtkosten bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnort und Berufsschule bzw. Wohnort und Ausbildungsstätte sind regelmäßig in voller Höhe bei der Ermittlung des eigenen Einkommens eines Ausbildungsunterhalt verlangenden Kindes zu berü...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?