Nach dem Prinzip der Eigenverantwortung, welches sich aus § 1602 Abs. 1 BGB ergibt, ist ein gesundes volljähriges Kind grundsätzlich verpflichtet, sich selbst zu unterhalten. Diese Verpflichtung entfällt nur dann, wenn es sich in einer angemessenen Ausbildung befindet oder infolge von Krankheit bzw. Behinderung erwerbsunfähig ist.
5.5.1 Grundsatz
Einkünfte des volljährigen Kindes werden grds. in vollem Umfang bedarfsmindernd angerechnet. Eine Bedürftigkeit scheidet insoweit aus.
Nach allgemeiner Auffassung ist ein volljähriges Kind, welches sich in einer vollzeitigen ersten Ausbildung befindet, nicht verpflichtet, daneben einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Denn es soll sich, auch im Interesse des Unterhaltspflichtigen, mit ganzer Kraft sowie dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit der Ausbildung widmen, um diese innerhalb angemessener und üblicher Dauer zu beenden. Wird gleichwohl eine (Neben-) Erwerbstätigkeit ausgeübt, so stellt die Vergütung, die das volljährige Kind hierfür erhält, grundsätzlich Einkommen aus überobligationsmäßiger Tätigkeit dar. Die Anrechnung solcher Einkünfte aus unzumutbarer Tätigkeit bestimmt sich auch im Verwandtenunterhaltsrecht nach dem – hier entsprechend heranzuziehenden – Rechtsgedanken des § 1577 Abs. 2 BGB. Danach bleiben Einkünfte anrechnungsfrei, soweit der Unterhaltsverpflichtete nicht den vollen Unterhalt leistet, § 1577 Abs. 2 Satz 1 BGB. Darüber hinaus kommt eine Anrechnung insoweit in Betracht, als dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Billigkeit entspricht, § 1577 Abs. 2 Satz 2 BGB.
5.5.2 Ausbildungsvergütung
Die Ausbildungsvergütung eines volljährigen Kindes ist – ggf. nach Bereinigung um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen – in voller Höhe auf seinen Unterhaltsbedarf. Die Unterhaltsleitlinien zahlreicher Oberlandesgerichte sehen eine pauschale Kürzung der Ausbildungsvergütung um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf vor. Dieser beläuft sich derzeit auf 100 EUR. Bei dem Abzug dieses Betrages handelt es sich nicht um eine berufsbedingte Pauschale, sondern um eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf. Dieser findet seine Rechtfertigung neben sonstigen berufsbedingten Aufwendungen in einem Arbeitsanreiz und in der Notwendigkeit der Anschaffung von Büchern, sonstigen Lernmitteln und Einrichtungsgegenständen, die bei einem Arbeitnehmer normalerweise nicht anfallen bzw. durch steuerliche Absetzung einen gewissen Ausgleich finden. Eine Verrechnung mit Fahrtkosten findet daher nicht statt. Die tatsächlich entstandenen berufsbedingten Fahrtkosten bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnort und Berufsschule bzw. Wohnort und Ausbildungsstätte sind regelmäßig in voller Höhe bei der Ermittlung des eigenen Einkommens eines Ausbildungsunterhalt verlangenden Kindes zu berücksichtigen.
Fraglich ist oftmals die Behandlung des ersten Monats der Ausbildung, wenn die Ausbildungsvergütung erst nachschüssig gezahlt wird. Nach überwiegender Ansicht entfällt oder reduziert sich der Kindesunterhaltsanspruch für den gesamten Monat nach der Auslegung des § 1602 Abs. 1 BGB ab dem Beginn desjenigen Monats, in dessen Verlauf die erste Ausbildungsvergütung tatsächlich ausgezahlt wird. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages oder Beginns der Arbeitsaufnahme kommt es demgegenüber nicht entscheidend an.
5.5.3 BAföG-Leistungen
Gemäß § 17 Abs. 2 BAföG erfolgt die Ausbildungsförderung zur Hälfte als Zuschuss und zur anderen Hälfte als zinsloses Darlehen. Sowohl der als Zuschuss geleistete als auch der als Darlehen gewährte Teil mindern den Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes. Der Unterhaltsbedarf des Kindes wird nicht durch Leistungen i. S. d. § 36 BAföG gemindert. In derartigen Fällen geht der Unterhaltsanspruch auf das Land über.
Unterlässt das Kind die Beantragung von BAföG-Leistungen, können dem Kind fiktive BAföG-Leistungen bedarfsmindernd zugerechnet werden. Das OLG Schleswig-Holstein führt dazu aus:
Zitat
...Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs ist, dass eine Unterhaltsbedürftigkeit nach § 1602 Abs. 1 BGB gegeben ist. BAföG-Leistungen sind hinsichtlich der Bedürftigkeit unterhaltsrechtliches Einkommen, soweit sie nicht Vorausleistungen nach § 36 BAföG darstellen. Das gilt auch grundsätzlich für BAföG-Darlehen nach § 17 Abs. 2 BAföG. Im vorliegenden Fall ist der Beklagten bisher die Ausbildungsförderung zur Hälfte als Zuschuss, zur anderen Hälfte als Darlehen gewährt worden. Das Darlehen ist unverzinslich; es ist in monatlichen Raten von mindestens 105,00 EUR, beginnend mit dem 5. Jahr nach dem Ende der Förderung zu tilgen, § 18 Abs. 3 BAföG. Auf Antrag kann der Schuldner von der Rückzahlung ganz oder teilweise freigestellt werden; auch besteht bei guten Leistungen i...