Leitsatz
Eine getrennt lebende Ehefrau hatte im Wege der Stufenklage für sich Trennungsunterhalt und in gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB für die gemeinsamen Kinder Kindesunterhalt geltend gemacht. Die Klage enthielt neben dem Antrag auf Verurteilung zur Auskunftserteilung auch einen unbezifferten Zahlungsantrag. Nachdem ein Anerkenntnisteilurteil gegen den Beklagten hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung ergangen war, wurde das Verfahren von der Klägerin über längere Zeit nicht betrieben und deswegen nach der Brandenburgischen Aktenordnung ausgetragen und vom Gericht als erledigt betrachtet. Nachdem geraume Zeit verstrichen war, kündigte die Klägerin hinsichtlich des Kindesunterhalts bezifferte Zahlungsanträge an, ohne auf das vorangegangene und bereits rechtshängige Verfahren zu verweisen. Das AG hat die Sache zunächst im Prozesskostenhilfeverfahren betrieben und ihr ein neues Aktenzeichen gegeben. Erst später stellte die Klägerin klar, dass die Zahlungsanträge im Rahmen der Zahlungsstufe der noch rechtshängigen Stufenklage gestellt werden sollten. Die Schriftsätze wurden dem Beklagten unter einem neuen Aktenzeichen zugestellt. Die von dem Beklagten für seine Rechtsverteidigung beantragte Prozesskostenhilfe wurde nur partiell bewilligt.
Hiergegen legte er sofortige Beschwerde ein, die erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die sofortige Beschwerde des Beklagten für begründet und vertrat die Auffassung, ihm sei in weitergehendem Umfang Prozesskostenhilfe zu bewilligen als vom AG angenommen. Seine Rechtsverteidigung biete insgesamt hinreichend Aussicht auf Erfolg.
Die isoliert und ohne Hinweis auf das bereits rechtshängige Verfahren gestellten bezifferten Zahlungsanträge der Klägerin zum Kindesunterhalt seien wegen der noch nicht erledigten Stufenklage unzulässig. Schon aus diesem Grunde biete die Rechtsverteidigung des Beklagten hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass letztendlich dahinstehen könne, ob das AG - wie vom Beklagten mit der sofortigen Beschwerde weiter geltend gemacht - unter Berücksichtigung seines Ausbildungsstandes und mit Rücksicht auf den Umstand, dass er als Ausländer einer Arbeitserlaubnis bedurfte, von einem zu hohen fiktiven Einkommen ausgegangen war.
Auch bedürfe es letztendlich keiner Entscheidung darüber, ob die Unterhaltsansprüche teilweise verwirkt seien und ob mit der Klage dem Umstand, dass Unterhaltsvorschuss von der Klägerin bezogen worden war, hinreichend Rechnung getragen wurde.
Obgleich sich das OLG aus den genannten Gründen mit diesen beiden Fragen nicht mehr auseinandersetzen musste, wies es auf Folgendes hin:
Bei der Prüfung der Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs seien an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen. Dieses könne bereits für Zeitabschnitte, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder einem erneuten Tätigwerden lagen, bejaht werden. Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein könne, bevor er überhaupt fällig geworden sei, müssten gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden.
Neben dem Zeitmoment komme es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an. Soweit es hier auch darauf ankomme, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet habe, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reiche die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte angepasst habe, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen könne und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerate. Seien Anhaltspunkte dafür, dass es in dem zu entscheidenden Fall anders lag, nicht ersichtlich, so bedürfe es keiner besonderen Feststellung dazu, dass der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen eingerichtet habe (BGH v. 13.1.1988 - IVb ZR 7/87, MDR 1988, 481 = FamRZ 1988, 370 [373]; OLG Brandenburg v. 16.7.2001 - 10 WF 135/00, NJW-RR 2002, 870).
Grundsätzlich könnten auch Ansprüche auf Kindesunterhalt verwirkt sein, obwohl die Verjährung solcher Ansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt sei (BGH v. 16.6.1999 - XII ZA 3/99, FamRZ 1999, 1422). Bei Gewährung von Leistungen nach dem UVG sei eine Aktivlegitimation des Kindes in vollem Umfang dann gegeben, wenn der übergegangene Unterhaltsanspruch von dem Land gem. § 7 Abs. 4 S. 2 UVG zur gerichtlichen Geltendmachung auf den Leistungsempfänger rückübertragen worden sei. Hierzu sei der Abschluss eines Abtretungsvertrages zwischen den Beteiligten erforderlich (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 556; FamVerf/Schael, § 1 Rz. 317).
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 05.01.2006, 10 WF 285/05