Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Frage der Leistungsfähigkeit eines auf Kindesunterhalt als potentieller Vater in Anspruch genommenen Mannes sowie seine Verpflichtung zur Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens während des laufenden Vaterschaftsfeststellungsverfahrens.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um Kindesunterhalt. Der Kläger war gemäß Urteil des AG vom 12.7.2006 als Vater des im Juni 2004 geborenen Beklagten festgestellt worden. Mit demselben - am 25.8.2006 rechtskräftig gewordenen - Urteil wurde er verurteilt, für den Beklagten beginnend ab dessen Geburt Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersgruppe nach § 2 der Regelbedarfsverordnung abzgl. des anrechenbaren Kindergeldanteils zu zahlen.
Mit der am 22.8.2006 eingegangenen Klage hat der Kläger Abänderung dieses Urteilstitels unter Hinweis auf seine Leistungsunfähigkeit begehrt. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne bei Ausnutzung der ihm abzuverlangenden gesteigerten Erwerbsbemühung ein die Zahlung des Regelunterhalts ermöglichendes Einkommen erzielen.
Das erstinstanzliche Gericht hat mit Urteil vom 24.10.2007 unter Klageabweisung im Übrigen das Urteil vom 12.7.2006 dahingehend abgeändert, dass der Kläger ab Geburt des Beklagten bis zum 12.7.2006 zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht verpflichtet sei. Vor Erlass des Urteils vom 12.7.2006 sei keine Obliegenheitsverletzung festzustellen, weil eine Unterhaltsverpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt nicht festgestanden habe. Im Übrigen aber sei der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der gesteigerten Erwerbspflicht nicht vollständig nachgekommen. Nach Erlass des Feststellungsurteils wäre er bei Wahrung der gesteigerten Erwerbsbemühungen in der Lage gewesen, Nettoeinkünfte zu erzielen, die ihm die Zahlung des titulierten Regelunterhalts ermöglicht hätten.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Berufung, der Beklagte mit der Anschlussberufung.
Entscheidung
Die Berufung des Klägers hatte nur in geringem Umfang Erfolg.
Die von ihm eingereichte Korrekturklage führe im Ergebnis zum Wegfall der mit Feststellungsurteil des erstinstanzlichen Gerichts vom 12.7.2006 titulierten Unterhaltsverpflichtung für die Zeit vom 13.7.2006 bis zum 31.12.2006 wegen Leistungsunfähigkeit. Seit Aufnahme seiner jetzigen Vollerwerbstätigkeit im Januar 2007 sei der Kläger jedoch mindestens teilweise leistungsfähig, seit Juli 2007 sei er sogar als insgesamt leistungsfähig anzusehen.
Für die Zeit seiner Arbeitslosigkeit vom 13.7.2006 bis einschließlich 14.1.2007 hielt das OLG für nicht gerechtfertigt, eine vollständige oder auch nur teilweise Leistungsfähigkeit des Klägers unter dem Aspekt unzureichender Erwerbsbemühungen zu fingieren.
Dies unter Hinweis darauf, dass die Gerichte schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der Frage gehalten seien, ob die Voraussetzungen für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens gegeben seien (vgl. BVerfG, Beschlüsse v. 5.3.2003 - 1 BvR 752/02; v. 16.4.2008 - 1 BvR 2253/07).
Ohne genaue Betrachtung und Abwägung der persönlichen Voraussetzungen des Unterhaltsschuldners im Einzelfall und einer an den realen Verhältnissen des Arbeitsmarktes orientierten Prüfung des Vorhandenseins entsprechender Arbeitsstellen verbiete sich eine Fortschreibung früherer Verdienste ebenso wie die pauschale Möglichkeit einer Einkommensfiktion, die eine bis zur Höhe der Sicherung des Regel- oder Mindestunterhalts rechtfertige.
Bei Anwendung der hier einschlägigen Grundsätze, die das OLG im Einzelnen darlegt, gelange man für den hier in Rede stehenden Zeitraum auch nicht zu einer fiktiven Leistungsfähigkeit des Klägers für einen vollen oder anteiligen Regelunterhalt.
Er habe bis zur Aufnahme seiner jetzigen Erwerbstätigkeit im Januar 2007 trotz vielfach wechselnder Arbeitsstellen zu keinem Zeitpunkt ein Einkommen erzielt, das die Zahlung des Regelunterhalts ermöglicht hätte. Der Kläger habe keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung absolviert, sei mehrfach über längere Zeit inhaftiert gewesen und verfüge über keine Fahrerlaubnis. Diese Umstände erschwerten bereits die Arbeitssuche beträchtlich, weil es für Arbeitssuchende mit solcher "Qualifikation" von vornherein nur sehr wenige Stellenanzeigen gebe.
Erst mit Aufnahme des bis heute bestehenden Arbeitsverhältnisses im Januar 2007 sei der Kläger jedoch zumindest teilweise und ab Juli 2007 sogar als insgesamt leistungsfähig für die titulierte Unterhaltsverpflichtung anzusehen.
Hinsichtlich der von dem Kläger aufgeführten Verbindlichkeiten wies das OLG darauf hin, dass man bei deren Berücksichtigung zu dem Ergebnis käme, dass der Kläger statt des titulierten Regelunterhalts nunmehr zur Zahlung eines weit geringeren Betrages in der Lage wäre.
Ob die Tilgung von Schulden unterhaltsrechtlich relevant sei, sei im Ergebnis einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellen. Im konkreten Fall handele es sich ganz überwiegend um Altschulden aus der Zeit vor der Entste...