Leitsatz
Die Klägerin begehrte Abänderung der Regelung zum Kindesunterhalt, wonach sie verpflichtet war, an ein minderjähriges Kind aus ihrer geschiedenen Ehe Barunterhalt zu leisten. Das Kind lebte bei dem Kindesvater und wurde von diesem Betreut. Die Kindesmutter hatte am 13.4.2005 ein weiteres Kind aus einer neuen Beziehung geboren. Mit ihrem neuen Partner war sie nicht verheiratet.
Die Klägerin war auch während des Bestehens ihrer früheren Ehe nicht vollzeiterwerbstätig. Vielmehr hatte primär der geschiedene Ehemann zum Erwerbseinkommen der Familie beigetragen. Die Klägerin hatte nur hinzuverdient.
Das erstinstanzliche Gericht gab der Abänderungsklage der Klägerin dahingehend statt, dass sie ab Rechtshängigkeit der Klage Kindesunterhalt an die Beklagte nicht mehr zu zahlen hatte.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Beklagten, die nicht erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach die Klägerin unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie zwischenzeitlich ein weiteres Kind geboren hatte und der Vater der Beklagten leistungsfähig war, Barunterhalt nicht mehr schuldete. Es treffe sie auch keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber der minderjährigen Beklagten, obwohl diese bei dem Kindesvater lebe und von diesem betreut werde.
Die in § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB enthaltene Verpflichtung, zum Unterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder auch Mittel zu verwenden, die der Elternteil für den eigenen angemessenen Unterhalt benötige, trete nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden sei. Dies könne bei Leistungsfähigkeit auch der andere Elternteil sein, der seiner Unterhaltsverpflichtung zwar regelmäßig durch Leistung von Naturalunterhalt nachkomme und daneben grundsätzlich zum Barunterhalt nicht verpflichtet sei. Dies gelte nicht, wenn der andere Elternteil nur wesentlich geringere Einkünfte erziele, so dass seine Inanspruchnahme zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen würde (so BGH v. 7.11.1990 - XII ZR 123/89, MDR 1991, 643 = FamRZ 1991, 182, m.w.N.).
Unter diesem Gesichtspunkt entfalle eine Unterhaltspflicht der Klägerin, da der Vater der Beklagten neben deren Pflege und Erziehung auch deren Barbedarf ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts übernehmen könne.
Die Klägerin treffe nach der Geburt ihres weiteren Kindes während des Bezuges von Erziehungsgeld keine Erwerbsobliegenheit. Dies gelte auch gegenüber anderen gleichrangig unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern aus einer früheren Verbindung jedenfalls dann, wenn die Rollenwahl in einer neuen Beziehung, in der die Mutter weitgehend Hausfrau sei und die Erziehung und Betreuung des Kindes übernommen habe, unterhaltsrechtlich hinzunehmen sei. In jedem Fall sei dabei der notwendige Selbstbehalt des Unterhaltsverpflichteten zu wahren (vgl. BGH v. 12.4.2006 - XII ZR 31/04, BGHReport 2006, 1025 = MDR 2006, 1233 = FamRZ 2006, 1010). Die Klägerin dürfe das von ihr bezogene Erziehungsgeld vorrangig zur Deckung ihres eigenen notwendigen Selbstbehalts verwenden. Das Erziehungsgeld habe keine Lohnersatzfunktion und sei lediglich in besonderen Ausnahmefällen als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Dies ändere nichts daran, dass die Einkünfte dem Elternteil zur Verfügung stehen würden, um ihm die Pflege und Erziehung des Kindes zu ermöglichen.
Auch unter Berücksichtigung des Erziehungsgeldes sowie ihres Unterhaltsanspruchs nach § 1615l BGB gegen den Vater ihres jüngsten Kindes und Lebensgefährten sowie ihrer Einkünfte aus einer Nebentätigkeit sei die Klägerin nicht leistungsfähig.
Ein fiktives Einkommen aus einer weiteren teilzeitigen oder gar vollzeitigen Erwerbstätigkeit könne ihr nicht zugerechnet werden. Ihre Rollenwahl als Hausfrau und Mutter in der neuen Beziehung sei unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nach Auffassung des OLG war die Klägerin einer neu verheirateten Mutter gleichzustellen. Auch im Falle des Bestehens einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei davon auszugehen, dass zwar eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern nicht ohne weiteres dadurch entfalle, dass der Unterhaltsverpflichtete eine neue Verbindung eingegangen sei und dort die Haushaltsführung übernommen habe. Jedoch könnten die neuen Partner die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen regeln und sie einem von ihnen alleine überlassen. Zu berücksichtigen sei, dass sich der unterhaltpflichtige Ehegatte nicht ohne weiteres auf die Sorge für die Mitglieder der neuen Beziehung beschränken dürfe. Kinder aus einer geschiedenen Ehe müssten eine Einbuße ihrer Unterhaltsansprüche nur dann hinnehmen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen an der Aufgabenverteilung in der neuen Beziehung ihr eigenes Interesse an der Beibehaltung ihrer bisherigen Unterhaltssiche...